Tanzen, so lautet eine Meldung in Topic, wird
in den Gemeinden auch im Rahmen des Gottesdienstes
immer beliebter. Begonnen hat diese Form des „
Lobpreises“
Ende der 60er-Jahre mit dem Beginn der Jesus-People-
bzw. der charismatischen Bewegung. Befürworter
berufen sich darauf, daß uns Gott schließlich
ganzheitlich geschaffen habe und es sei deshalb
ein legitimes Mittel, durch seinen Körper
seiner Freude Ausdruck zu verleihen. Dafür
gebe es doch im Alten Testament genügend
Belege. Als „Kronzeuge“ wird fast
immer David zitiert, der bekanntlich vor der Bundeslade
getanzt hat.
In der Geschichte Israels werden nun tatsächlich
drei Ereignisse erwähnt, wo Israel, jedesmal
unter der Führung von Frauen, zum Reigen
tanzte, um seiner Freude über Gottes Eingreifen
und große Taten Ausdruck zu geben. Nach
dem Untergang der Armee Pharaos heißt es:
„Da nahm Mirjam, die Prophetin, Aarons Schwester,
eine Pauke in ihre Hand und alle Frauen folgten
ihr nach mit Pauken im Reigen“ (2. Mose
15,20-21).
Den Reigentanz definiert Zeller: „Der Reigen
ist ein Reihentanz, da eine Anzahl Personen sich
zu einem Kreis die Hände reicht und unter
dem Schall der Handtrommel...im Kreise sich herumbewegt,
wie beim Ringelreihen unserer Kinder....Es ist
der Ausdruck der freudigen inneren Bewegung“
(„Biblisches Wörterbuch“, Verlag,
R. Besser, 1856).
Mirjams Reigen wird durch die großen, soeben
erlebten Taten Gottes ausgelöst, die bei
ihr und dem Volk solch eine Jubelstimmung bewirken,
daß sie spontan mit den Frauen Israels im
Reigengesang die Treue Gottes preist. Der Impuls
kam von Gott und führte zu Gott.
Das nächste Ereignis ist das Tanzen von
Jephtas Tochter (Richter 11,32-34). Dann lesen
wir in 1. Sam. 18,6-7: „Es begab sich aber,
als David zurückkam vom Sieg über die
Philister, daß die Frauen aus allen Städten
Israels herausgingen mit Gesang und Reigen dem
Saul entgegen unter Jauchzen, mit Pauken und Zimbeln.
Und die Frauen sangen im Reigen und sprachen:
Saul hat tausend erschlagen, aber David zehntausend.“
Hier ist zu betonen, daß keines der Ereignisse
Inhalt eines normalen Gottesdienstes war. Es handelte
sich um spontane Freudenkundgebungen über
die Siege Gottes, die damals auch noch mit vielen
Erschlagenen auf Seiten des Feindes verbunden
waren.
Da unser Kampf heute nicht mehr mit Fleisch und
Blut ist (Eph. 6,12), läßt sich schon
daraus für das Zeitalter des Neuen Bundes
eine andere Beurteilung vermuten. Jedenfalls wäre
es höchst fragwürdig, solche Stellen
direkt auf unsere Situation zu übertragen.
Dann wird der Tanz bzw. Reigen öfters in
den Psalmen, insgesamt viermal (Ps. 30,12; 87,7;
149,3; 150,4), erwähnt, wobei besonders die
beiden letzten Psalmen von Befürworten des
Tanzes heute gerne ins Feld geführt werden.
Doch schon Psalm 149 zeigt wiederum eine ähnliche
Problematik. Denn Vers 3 erwähnt zwar zum
Lob Gottes den Reigen, die Pauken und Harfen,
die Verse 6-9 ergeben aber wiederum einen sehr
martialischen Aspekt, der bei wörtlicher
Anwendung, wie für Vers drei eingefordert,
in einem Massenabschlachten der Gottlosen enden
würde. Solche Stellen sind unmöglich
für die gegenwärtige Gemeindezeit anwendbar,
sondern beziehen sich hier auf Verheißungen
für das irdische Bundesvolk Israel bzw. geben
einen Ausblick auf das messianische Friedensreich.
Von daher ist es mehr als problematisch, solche
Passagen, besonders mit Berufung auf den nächsten
Psalm 150, als Inspiration zur Direktumsetzung
für den neutestamentlichen Gottesdienst einzufordern.
Die anderen Bibelstellen, wo tanzen noch im Alten
Testament erwähnt wird, meistens als Vergleich
oder gleichnishaft, sind Sprüche 26,7, Pred.
3, 1 u. 4, Jer. 31,4 u. 13 und Klagelieder 5,15.
Israel hatte also besondere Gelegenheiten, verbunden
mit den sichtbaren Anlässen, z.B. Siegen
oder Festen, seiner Freude durch Reigentanz Ausdruck
zu verleihen. Mit dem normalen Gottesdienst hatte
dies allerdings nichts zu tun. Deswegen ist es
auch nicht verwunderlich, daß keine Silbe
von Tanz im Gesetz des Mose zu finden ist. Dabei
waren es ja gerade diese Anweisungen, die den
Gottes- und Priesterdienst bis in kleinste Details
regelten. So kann man jetzt schon sagen, wie einmalige
Ereignisse aus dem Alten Testament von Befürwortern
des gegenwärtigen Tanzens als Anleitung für
gemeindliche „Dauerbrenner“, noch
dazu im Zeitalter des Neuen Bundes, genommen werden.
Besonders auffällig ist dies bei der „Kardinalstelle“
zur angebliche Rechtfertigung des Tanzens heute,
nämlich Davids Tanz vor der Bundeslade (2.
Sam. 6,5 und 14). Auch hier handelt es sich um
ein besondere und nicht normales Begebenheit.
Man muß im Gegenzug die Frage stellen, wie
oft denn David getanzt habe? Insgesamt zweimal,
nachdem beim ersten Mal die Sache im Gericht endete,
da man die Techniken der Heiden für den Transport
der Bundeslade übernommen hatte (Vers 6).
Wer sich also nun auf David beruft, um Tanz zum
normalen Ereignis eines Gottesdienstes hochzustilisieren,
dem ist zu entgegnen, daß man zufrieden
wäre, würde er so oft wie David tanzen.
Man nimmt ein punktuelles Ereignis und leitet
daraus ein Verhaltensmuster für eine bleibende
Gottesdienstform ab. Dies ist übrigens ganz
typisch für den schwärmerischen Umgang
mit der Bibel, der ein heilsgeschichtliches Denken
so gut wie nicht kennt. Ganz abgesehen davon,
daß man eine Bibelstelle auch in ihrem Zusammenhang
stehen lassen muß. Hätten wir also
heute noch die Beschneidung, das davidische Königtum,
die Bundeslade, den levitischen Tempeldienst usw.,
dann bestünde in etwa eine Berechtigung,
solch eine Stelle für unsere Tage anzuwenden.
Doch wer den Gott der Bibel kennt, weiß,
wie gerade mit dem Beginn der Gemeinde die systematische
Verlagerung des Sichtbaren in das Unsichtbare
einsetzte. Berühmtes Beispiel dafür
ist das Gespräch Jesu mit der Samariterin
am Jakobsbrunnen. War früher der sichtbare
Berg oder Ort die Stelle der Gottesbegegnung,
so ist es heute unsichtbar und kein Mensch muß
mehr nach Jerusalem pilgern, um den wahren Gott
anzubeten. Ähnlich hat der selbe Gott, der
Paulus zu Beginn noch sichtbar aus dem Kerker
befreite (Apg. 16,26), seinen Diener später
in sichtbaren Ketten gelassen. Jedoch als ein
im Unsichtbaren Befreiter, obwohl im Gefängnis,
schrieb Paulus seine größten Epistel
für die Gemeindezeit (Epheser- und Kolosserbrief).
So läuft in der Bibel im allgemeinen und
besonders im NT die Entfaltung für die Gemeinde
vom Sichtbaren zum Unsichtbaren (2. Kor. 4,18;
5,7). Heute, im Zuge des endzeitlichen Abfalls,
ist eine umgekehrte Entwicklung zu beobachten.
Sucht man nun nach Stellen zum Thema Tanz im Neuen
Testament, so begegnet einem im Prinzip eine große
Leere, was auch nicht überraschen sollte.
Es hat eigentlich nur drei Stellen, wo Tanzen
bzw. Reigen erwähnt wird. Mt. 11,17, wo der
Herr einen Vergleich mit dem Kindertanzspiel vornimmt.
Dann wird in Luk. 15,25 berichtet, wie die Heimkehr
des verlorenen Sohnes mit Liedern und Reigen gefeiert
wird. Doch hier handelt es sich ja um das vielleicht
bekannteste Gleichnis der Bibel, kein tatsächliches
Tanzereignis.
Das einzige Mal, wo im NT wirklich getanzt wurde,
war bei dem Geburtstagsfest des Herodes Antipas
(Mark. 6,22), und zwar durch seine Stieftochter
Salome. Als Folge davon wurde Johannes der Täufer
geköpft (Vers 27). Von daher ist der neutestamentliche
Befund zum Thema Tanzen nicht gerade ermutigend,
milde formuliert.
Diese Begebenheit veranlaßte den Fürst
der Prediger, den Baptisten Spurgeon, bei einem
Vortrag zu demselben Thema zu folgender Aussage:
„I have great fear talking about this subject,
because the head of the first baptist (gemeint
ist Johannes der Täufer, John the Baptist,
Anm.) was danced off“. (Ich habe große
Angst, über dieses Thema zu sprechen, denn
der Kopf des ersten Täufers wurde weggetanzt).
Auch erklärt Paulus in Röm. 8,23, wie
wir auf des Leibes Erlösung warten. Wir sind
zwar durch die Sünde ganzheitlich gefallen,
aber nicht ganzheitlich erlöst. Die Erlösung
des Leibes ist noch zukünftig (1. Kor. 15,54).
Weil der Leib nicht erlöst ist, gehört
Tanz immer noch zu dem bevorzugten Ausdruckmittel
der gefallenen Welt und löst dementsprechende
Lüste und Begierden aus. So hat David Wilkerson
als unverdächtiger Zeuge geklagt, daß,
seitdem die Charismatiker mit Tanz im Gottesdienst
begonnen haben, die sexuellen Sünden überhand
nahmen.
Im biblischen Christentum läuft die Erkenntnis
über den Sinn (Gr. nouj nous) des Menschen,
nicht über das Gefühl. Der Glaube kommt
bekanntlich aus der Predigt (Röm. 10,17).
Die Bibel erklärt, daß, wer Jesu Worte
hört und versteht, ein guter Boden ist (Mt.
13,23) und spricht von den Menschen der letzten
Tage, daß sie zerrüttete Sinne (nicht
zerrüttete Gefühle) haben, untüchtig
zum Glauben (2. Tim. 3,8). Auch erklärt Paulus
gerade den Korinthern in 1. Kor. 14,6-19 lang
und ausführlich, wie Manifestationen, die
keinen Sinn ergeben, bzw. nicht verstanden werden,
für den biblischen Gottesdienst unbrauchbar
sind (z.B. Verse 8-9). Es geht um geistliche Erkenntnis,
nicht Ekstase oder Irrationalität.
Im Heidentum dagegen ist man seiner Gottheit
um so näher, je mehr man buchstäblich
außer sich ist, was Ekstase eigentlich bedeutet.
Um diesen veränderten Bewußtseinszustand
zu erreichen, ist Tanz seit dem Beginn der Menschheit
ein bevorzugtes Mittel. Es ist auch von daher
nicht überraschend, daß die Beliebtheit
des Tanzes im christlichen Rahmen in die Zeit
des Einbruchs von New-Age und Neuheidentum fällt,
das immer deutlicher seine Einflüsse auch
auf die Gemeinde offenbart. Man denke nur an den
Wertewandel, der sich im ethischen Bereich vollzogen
hat, von dem die Kinder Gottes keineswegs ausgeklammert
sind. Gerade im New-Age ist Tanz bzw. Körperbewußtsein
eine beliebte Form zur angeblich „ganzheitlichen“
Therapie des Menschen.
Auch können diese Körperbewegungen,
jedenfalls ab einer gewissen Intensität und
Lautstärke der Musik, das Ausschütten
von Endorphinen, sog. Glückshormonen, bewirken.
Und das ist es, was in unserem hedonistischen
Zeitalter zählt. Nicht primär Wahrheit
und geistliche Erkenntnis, sondern der beglückende
Zustand des Rausches, das „schöne Feeling“
in einer Wohlfühlgesellschaft.
So schreibt Benedikt Peters, als jemand der vor
seiner Bekehrung mit Hindus und Moslems in Indien
zusammengelebt hat, in Verbindung mit den Ereignissen
in Offb. 19,1-5: „Es werden uns die Gründe
genannt, warum der Himmel jubelt: dreimal steht
ein erklärendes ‘denn’. Das zeigt
uns, daß Anbetung immer begründet ist.
Sie wird durch Erkenntnis des Wesens, der Wege
und der Werke Gottes geweckt. Das ist sehr wichtig
in einer Zeit, da immer mehr Christen heidnische
Vorstellungen von Anbetung haben: Sie denken,
anbeten heiße, sich in erhabene Gefühle
hineinzusteigern, sich durch äußerliche
Stimulanzien wie entsprechende Musik, Händeklatschen,
Tanzen usw. in eine besondere Stimmung hineinversetzen
zu lassen. Das ist vollständig heidnisch.
So dienen etwa Hindus oder muslimische Derwische
ihren Göttern. Nicht aus Umständen oder
Gefühlen, sondern von Gott selbst geht der
Anstoß zur Anbetung aus: «Von dir
kommt mein Lobgesang in der großen Versammlung
(Ps. 22,25)“, („Geöffnete Siegel“,
Schwengeler-Verlag, S. 130-131).
Von daher ist es bemerkenswert, daß noch
eine Stelle im NT mit Tanzen übersetzt werden
kann. Es handelt sich um 1. Kor. 10,7. Hier steht
im Grundtext paizw (paizo), was wörtlich
sich wie ein Kind benehmen heißt, und mit
Tanzen, Spielen, Hüpfen wiedergegeben werden
kann. Diese Stelle steht in der Bibel als ernste
Warnung, bezugnehmend auf das Goldene Kalb.
Und dies ist nun der eigentliche Tatbestand,
der sich vor unseren Augen abspielt. Ein zunehmender
Infantilismus, manchmal ein Betragen, das mehr
an einen Kindergarten denn an geistliche Reife
erinnert. Zwar beruft man sich für sein graziles
Verhalten gerne auf David, der, wie bereits erwähnt,
vor der Bundeslade tanzte. Die Ablehner gegenwärtiger
ähnlicher Darbietungen werden gerne mit Michal
verglichen, die ihren Mann in ihrem Herzen verachtete.
Doch was sich tatsächlich heute ereignet
ist im Prinzip der Tanz ums Goldene Kalb. Ähnlich
wie damals wird es Jahwes Fest (2. Mose 32,5),
heute Lobpreistanz zur Ehre Gottes genannt, doch
in Wirklichkeit feiert man sein ungekreuzigte
Fleisch. Man baut mit dieser Musik und den damit
verbundenen Körperbewegungen keine Beziehung
zu Gott, sondern in Wirklichkeit zu sich selbst
auf.
Brian Edwards ist in dem sehr empfehlenswerten
Buch „Shall We Dance?“ (Evangelical
Press, England) der Frage nachgegangen, wann Tanz
und Theater besonders einflußreich in der
Kirchengeschichte waren? Sein Ergebnis: Immer
in den Zeiten des Niedergangs und Verfalls nahmen
diese Elemente überhand. Kaum hatte die Gemeinde
Erweckung, kehrte sie zum Wort allein zurück,
und Theater und Tanz waren kein Thema mehr. Von
dieser Diagnose her besehen, wäre es auch
höchst überraschend, wenn in unseren
Tagen Tanz und Theater keine Bedeutung hätten.
Der Götze dieser Generation ist durch die
Macht des Bildes längst das Gefühl und
Fleisch geworden und gerade diesen zu Ehren wird
getanzt. Es ist von daher auch nicht zufällig,
daß Tanz besonders in charismatischen und
ähnlich verwandten Strömungen propagiert
wird, da es Bewegungen sind, die primär das
Gefühl ansprechen und oft genug auch den
Sinnenrausch bzw. den veränderten Bewußtseinszustand
(man denke nur an den Toronto-Segen ) anstreben
und sehr oft verstandesfeindlich sind.
So kann man zusammenfassend sagen: Der Bibel
ist Tanzen nicht fremd. Die Bibel unterscheidet
zwischen geistlichem und fleischlichem Tanzen.
Geistliche Tänze sind spontane Tänze,
die durch ein göttliches Handeln ausgelöst
werden und zum Lobe Gottes getan werden. Sie sind
form- und regellos und die wahren Freudentänze.
Die Bibel kennt kein Tanzen im Gottesdienst.
Dem Neuen Testament ist Tanz fremd. Die Gemeinde
tanzte nicht, auch Gruppen oder Einzelne tanzten
nicht. Weder die Jünger bei dem Pfingstereignis,
noch die Gemeinde, als sich zu Beginn der Predigten
des Petrus Tausende bekehrten. Paulus tanzte nicht
noch Johannes nach dem Empfang des letzten Buches
der Bibel. Weder der Herr, noch seine Apostel,
die Jünger oder die Gemeinde tanzten.
Dies soll nicht so verstanden werden, als dürfe
ein Kind Gottes bei keiner Gelegenheit mehr tanzen.
Es gibt sicherlich freudige Ereignisse, wie eine
Hochzeit oder andere Feste, wo man in dieser Form
seiner Freude Ausdruck verleihen darf. Doch im
gottesdienstlichen Rahmen ist Tanz undenkbar und
zutiefst heidnisch.
Auch wenn das biblische Urteil so eindeutig ausfällt,
wäre es naiv anzunehmen, daß sich diese
Generation von enthusiastischen Gläubigen
davon beeindrucken oder etwas sagen ließe.
Diese Gedanken werden wahrlich nicht nur auf Gegenliebe
stoßen. Wir leben in den Tagen, wo sich
die Frommen die Lehrer aufladen, wonach ihnen
die Ohren jucken (2. Tim. 4,3-4) und es gibt kaum
ein Fehlverhalten heute, das nicht mit gewissen
Bibelstellen scheinbar begründet wird. So
möchte ich wenig optimistisch mit der Klage
Jeremias abschließen: „Sie halten
so fest am falschen Gottesdienst, daß sie
nicht umkehren wollen“ (Jer. 8,5).
Alexander Seibel