Was ist der Segen von Toronto?

Eine wachsende Zahl von Ohnmachts- und Hysterieanfällen in Gottesdiensten beunruhigt die anglikanische "Kirche von England". In der charismatisch geprägten Londoner Gemeinde "Heilige Dreieinigkeit" mußte ein Gottesdienst nach Zeitungsberichten wegen "chaotischer Zustände" beendet werden. (Das Gegenteil von 1. Kor 14,40 Anm.). Besucher seien in hysterisches Lachen und in Weinkrämpfe ausgebrochen, hätten in fremden Sprachen gesprochen und seien reihenweise umgefallen. Die Gemeinde gilt als die größte und die am schnellsten wachsende der britischen Hauptstadt. Ihr Leiter, Pastor Sandy Miller, sieht in den Vorkommnissen ein "Wirken des Heiligen Geistes". Sie seien Vorboten einer weltweiten "religiösen Erweckung". So lautet eine Meldung in idea Nr. 71/94 vom 23. Juni.

In derselben Basisausgabe: In der zur evangelisch- reformierten Kirche gehörenden charismatischen Laienbewegung "Basileia" in Bern geschehen nach eigenen Angaben "eigenartige Dinge": Gottesdienstbesucher brechen in Lachen aus, weinen, zittern und schütteln sich oder benehmen sich "wie betrunken". Andere legten sich auf den Boden. Ein Teilnehmer habe vier Tage lang "unaufhörlich gezuckt". Der Leiter der 800 Mitglieder zählenden Gemeinschaft, Martin Bühlmann, hält diese Erscheinungen für ein "Wirken des Heiligen Geists". Sie träten in gleicher Weise in den Kindergottesdiensten der Basileia auf. Bühlmann hat in seiner Gemeinde den sogenannten "Segen von Toronto" übernommen, eine Andachtsform, die von einer 300 Mitglieder zählenden Gemeinde in der kanadischen Stadt praktiziert wird. Sie gehört zur charismatischen Vineyard-Bewegung des amerikanischen Gemeindewachstumsexperten John Wimber. Soweit das Zitat aus idea.

Die Ursprünge:

Die "Toronto-Erfahrung", wie sie auch genannt wird, hat ihren Namen von einer kleinen Vineyard Gemeinde in Toronto, Kanada. Der Beginn der Ereignisse kann auf John Arnotts Bitte um eine frische Salbung durch Gott zurückgeführt werden. John Arnott ist der Pastor dieser Gemeinde. Folglich reiste er im November 1993 nach Argentinien, um einige Versammlungen zu besuchen, die Benny Hinn leitete. Später entdeckte er, daß ein anderer Vineard Pastor (Randy Clark) eine Erneuerung erlebte, nachdem Rodney Howard-Browne für ihn gebetet hatte. Folglich wurde Randy Clark am 20. Jan. 1994 nach Toronto eingeladen und der Aufbruch dieser Manifestationen begann.

Eine andere Gestalt in dieser Bewegung ist Claudio Freidzon. Er fühlte, daß ihm etwas in seinem Dienst fehlte und reiste deswegen nach Florida, um Benny Hinn zu besuchen, der über ihm betete und weissagte. Bei Freidzons Versammlungen - so geschehen beispielsweise in der Gemeinde von Wolfhard Margies, Berlin - fallen die Leute entweder reihenweise zu Boden oder sie beginnen unkontrolliert zu lachen bzw. beides.

Benny Hinn demonstriert seine "Salbung", indem er die Versammlung anbläst, die dann "unter der Kraft zu Boden fällt". Benny Hinn war es auch, der am Grabe von Aimee Sample McPherson (Amerikas berühmtester Pfingstevangelistin und Begründerin der Foursquare Gospel Pfingstgemeinde) eine besondere "Salbung" mit Kraft erfahren hatte: "Ich fühlte eine unglaubliche Salbung ...Ich zitterte am ganzen Leib...zitterte unter der Kraft Gottes...'Oh Gott' sagte ich, Ich fühle die Salbung...Ich glaube, die Salbung schwebte über Aimees Körper" (CIB Bulletin, Jan. 1992, Vol. 8, Nr. 1).

Rodney Howard-Brownes Besonderheit besteht darin, daß er den Leuten befiehlt zu lachen. (Es gibt Berichte von Personen, die sich in ähnlicher bizarrer Weise verhielten und solche, die danach Unter einen Zwang bzw. Bedrückung gerieten). Als Ergebnis dieser Versammlungen sprach man von der "Lachenden Erweckung" (Bericht aus "Charisma" Magazin, August 1993).

Rodney Howard-Browne ist auch verbunden mit der Wohlstandslehre und mit der "Wort des Glaubens" Schule, welche lehrt, daß das, was man ausspricht, auch geschieht. (Quelle: "The Toronto Experience" von Intercessors for Britain). Über diese Wort des Glaubens bzw. Faith Movement erschien letztes Jahr von dem Leiter des Christian Research Institutes, (eine Art freikirchliche Entsprechung zur Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen) in Amerika das Buch "Christianity in Crisis". Der Umschlag des Buches enthält folgende Aussagen: "Unter dem Banner 'Jesus ist der Herr' führen diese Lehrer Tausende von ahnungslosen Christen fort aus dem Königreich Christi in das Reich der Sekten...es mag jetzt noch nicht zu spät sein, eine Katastrophe von unvorstellbarem Ausmaß abzuwehren." Weiter heißt es auf dem Buchumschlag: "Dieses Buch konfrontiert direkt eine tödliche Geschwulst, die im Leib Christi wütet. Wenn dieser Krebs nicht jetzt gestoppt wird, werden die Konsequenzen für die Christenheit katastrophal sein" (Christianity in Crisis, Harvest House Publishers, 1993).

Vielleicht hat idea Schweiz, deren Redaktionsstab gewiß nicht anticharismatisch ausgerichtet ist, treffend den Sachverhalt geschildert: "Die Phänomene, nämlich die übernatürlichen Heilungen und das Umfallen der Menschen sind nicht spezifisch Christliches. Das Phänomen hat in anderen Kulturen, Religionen und auch im okkulten Bereich viele Parallelen" (idea magazin Nr. 20/93 vom 17. Dez. 93, S. 11).

"Suggestion: Uralt ist die Suggestion durch Handauflegen. Ähnlich wirksam ist das Bestreichen mit den Händen, die den Körperteil berühren oder nahe am Körper entlang gehen" (ibid, Nr. 19/93 vom 26. Nov. 93, S. 11).

Gerhard Wissmann, der einige Jahre der Biblischen Glaubens-Gemeinde Stuttgart angehörte, die ein Ableger der "Wort des Glaubens" Bewegung ist, schrieb in seinem persönliche Zeugnis: "Unter Handauflegung von R. Bonnke wurde ich wie von einem Blitz getroffen nach hinten auf einen harten Steinboden geschleudert, wobei jegliches körperliches Gefühl verschwunden war. Verletzt wurde ich bei diesem Sturz nicht. Bei einer anderen Handauflegung erlebte ich für einige Sekunden, wie ich aus meinem Körper herausschwebte und eine beglückende Schwerelosigkeit mich umfing. Gleichzeitig fiel ich nach hinten. Diese und andere Phänomene wie unkontrolliertes Lachen, heftiges Zucken und Schütteln, minutenlange Ohnmacht (Ruhen im Geist) ‚all dies ist manifest bei sogenannten "Toronto-Segen", Anm.’ werden bekanntermaßen in charismatischen Gemeinden als besonderes Wirken des Heiligen Geistes charakterisiert" (Jesus - Nachfolge oder Jesus - Trip, Geführt oder verführt", S. 29).

"Kronzeuge" für dieses Hinstürzen sind angeblich gleiche Manifestationen in der Methodistischen Erweckung unter Wesley. In einer Fußnote merkt dazu Garth Lean in "John Wesley - Modell einer Revolution ohne Gewalt" an: "Merkwürdig war auch, daß diese Erscheinungen nur in Bristol und Newcastle auftraten und daß sie John Wesleys Predigt in größerem Maße begleiteten als die viel dramatischere Predigt Whitefields oder die leidenschaftlichere Charles Wesleys. Sie wurden auch immer seltener, je mehr sich die Erweckung ausbreitete. In seinem späteren Leben fing Wesley an zu zweifeln, ob es wirklich stets 'Gott, der sein Wort bekräftigt', war, und meinte, es sei wohl eher der Teufel gewesen, der Gottes Tun nachäfft oder einen letzten Versuch macht, einen Menschen festzuhalten. Die ganzen Erscheinungen hatten so gut wie nichts mit Furcht vor der Hölle zu tun, denn Wesley legte keine besonderes Gewicht auf diesen Punkt" (Brunnen-Verlag, 1974, S. 50).

Das (englische) Magazin "Banner Ministries" kommentiert: "Die störenderen und ausgefalleneren Manifestationen, die sich in den Versammlungen abspielen, wie hysterisches Gelächter, Knurren, Brüllen, Überhitzen des Körpers und Lähmungen, waren niemals Zeichen einer echten Erweckung. Sie sind jedoch bei anderen Gelegenheiten manifest (New-Age-Therapien/Drogenmißbrauch beispielsweise) und wurden als fleischlich bzw. dämonisch bei früheren Erweckungen identifiziert. Haschischraucher berichten, wie sie hysterisches Gelächter entwickelten, wo ihnen alles als lustig vorkam. Ein Christ, der in einem Irrenhaus gearbeitet hat, berichtet, wie er das gleiche Gelächter dort gehört hat" ("The Toronto Phenomenon", from Banner Ministries, p. 1).

In demselben Artikel wird unter der Überschrift "Die Manifestationen können im Namen Jesu zum Erliegen gebracht werden" erklärt: "Wenn diese Ausgießung wirklich von Gott wäre, würde sie sich allein unter seiner Führung und Kraft ausbreiten und kein Mensch könnte sie aufhalten. Stattdessen berichten mehrere Christen, daß sie diese Manifestationen geboten haben und bewirkten, daß sie aufhörten. Andere sagen, nachdem sie den Herrn um Schutz während dieser Versammlungen gebeten haben, daß jeder, der versuchte, Hände auf sie zu legen, davon abgehalten wurde. Ist der Heilige Geist geteilt oder betet Er gegen sich selbst?" (ibid, S. 2)

Wir sind nun leider Augenzeugen einer okkulten Erweckung in dieser Generation. Die Bravo bringt detaillierte Bildergeschichten über Satanskulte und Satanismus. Auf breiter Front geschieht ein Dammbruch seitens der Geisterwelt. Dieser "Segen von Toronto" ist nur das kirchlich-gemeindliche Gegenstück zu diesen Geisterausgießungen, wie sie die Schrift für das Ende der Tage voraussagt (2. Thess. 2,9-11).

Was zur Sorge Anlaß gibt, ist, daß Leute, die sich von ihrem Selbstverständnis her evangelikal nennen würden, von diesem "Toronto-Segen" fast buchstäblich "begeistert" sind. Der Christival-Vorsitzende Roland Werner kommentierte nach seinem Besuch der Londoner anglikanischen Gemeinde "Holy Trinity Brompton" (wo dieser "Segen" besonders um sich griff): "Diese Sache ist echt, da ist wirklich etwas aufgebrochen, es ist aufregend!"

Ulrich Eggers erklärt in seiner Jugendzeitschrift "dran", aus der obiges Zitat von Roland Werner entnommen ist: "Über eine Viertelmillion Menschen sind bisher zu den Treffen in der Toronto Vineyard oder in Baptistengemeinden der Umgebung gekommen, um an diesem besonderen Segen teilzuhaben. Das Schöne daran ist, daß dies alles wirklich übergemeindlich ist, es geht weit über die Grenzen von Denominationen hinaus, hat alles erfaßt. Eine Erneuerung der Hingabe und Berufung, eine Erweiterung der geistlichen Vision und neuentflammte Leidenschaft für Jesus und das Reich Gottes ist zu sehen" (dran, Nr. 7/94).

Martin Bühlmann, einer der Redner auf dem Gemeinde Kongreß im September 93 in Nürnberg und Leiter der "Basileia-Bewegung" in Bern, oft Gastgeber von John Wimber, von dessen "Toronto-Erfahrung" Ulrich Eggers eindrücklich berichtet, dokumentierte bei einer anderen Gelegenheit seine "Diakrisis". In der Zeitschrift "Gemeinde-Erneuerung in der ev. Kirche" konnte man folgenden Kommentar Bühlmanns zum Thema Erweckung lesen: "Und so sehr er auch verteufelt wurde: Der Rock'n' Roll hat der Welt eine Sprache gegeben, die alle verstehen. Gott wird diese Sprache nehmen, um den Völkern das Heil zu vermitteln" (GGE 1/93, Nr. 47, S. 13).

Man wird an die Klage des Propheten Hosea erinnert: "Mein Volk ist dahin, weil es ohne Erkenntnis ist" (Kap. 4,6).


Alexander Seibel


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