Roland Werner und Johannes Nehlsen (Hrsg.)
Diese Stellungnahme war wirklich nicht geplant. Zunächst freute ich mich über diese „dicke“ Weihnachtsgabe Gesichter und Geschichten der Reformation, Fontis – Brunnen Basel, 756 Seiten. Dieses umfangreiche Werk enthält der Anzahl der Tage eines Jahres entsprechend 366 Kurzbiographien chronologisch zusammengestellt, die unter dem obigen Titel subsumiert sind.
Das Buch ist lesefreundlich aufgemacht und täglich vermag man dem Umfang ca. einer Seite entsprechend etwas über Männer und Frauen sowie herausragende Persönlichkeiten der Kirchengeschichte zu erfahren. Das ist eine empfehlenswerte Idee. Es sind viele Beiträge inspirierend und glaubensstärkend. Es ist ermutigend, wenn man liest, wie unser großer Gott und Heiland Jesus Christus sich oft genug durch schwache Werkzeuge verherrlicht hat. Doch je mehr ich hineinschaute und erkennen musste, wer hier aller als Vorbild und Beispiel porträtiert wurde, desto frustrierter, um nicht zu sagen entsetzter, wurde ich. Es finden sich in dieser Zusammenstellung nicht nur die klassischen Reformatoren und so begnadete Missionare und geistliche Vorbilder wie Adoniram Judson, Hudson Taylor, David Livingstone, Georg Müller usw., sondern auch Mystiker, Schwärmer und Bibelkritiker.
So habe ich mir nun schweren Herzens vorgenommen, auf einige Beispiele in diesem Buch hinzuweisen, wo man meiner Erkenntnis nach Licht mit verkleideter Finsternis verwechselt hat.
Vorweg möchte ich hier betonen, dass es nicht unsere Aufgabe ist zu richten. Die Motive kennt allein der lebendige Gott und in dieser Sammlung von Kurzbiographien gibt es Menschen, wie oben erwähnt, deren Nachfolge und Eifer nicht hinterfragt werden soll. Wer möchte z.B. die kompromisslose Hingabe eines Sadhu Sundar Singh bezweifeln. Hierin ist dieser Mann nach wie vor vorbildlich. Doch wehe uns, wenn wir, besonders in diesen Tagen, nicht die Geister prüfen, eigentlich alles prüfen, wie es uns ja auch befohlen ist. Hier ist der Werdegang von Sundar Singh besonders erschütternd.
Was ich hier aufliste ist natürlich nicht vollständig, abgesehen davon, dass ich von etlichen Namen noch nie etwas vorher gehört habe. Diese Stellungnahme beansprucht auch nicht in allen Bereichen „hieb- und stichfest“ zu sein, das wäre bei diesem umfangreichen Buch nicht möglich, doch möchte ich auf einige meiner Erkenntnis nach besonders eklatante Beispiele hinweisen.
Bernhard von Clairvaux (S. 12) ist untrennbar mit den schrecklichen Verirrungen der Kreuzzüge verbunden und gehört somit zu den dunkelsten Blättern der Kirchengeschichte. So formulierte er: "Ein Ritter Christi tötet mit gutem Gewissen; noch ruhiger stirbt er. Wenn er stirbt, nützt er sich selber; wenn er tötet, nützt er Christus." http://u01151612502.user.hosting-agency.de/malexwiki/index.php/Bernhard_von_Clairvaux
Das erinnert eher an Dschihad denn an neutestamentliches Christentum. Unsere Gegner greifen auch gerne solche Zitate auf, um bibeltreue Christen und Salafisten in die selbe Schublade zu stecken.
Berühmt wegen seiner großen Redegabe, stellte Bernhard sie in die Anwerbung für die Kreuzzüge, für die er europaweit einen Rausch der Begeisterung entfachte. Er pries in Briefen und bei seinen Reisen durch Frankreich, Flandern und Deutschland den Kreuzzug als etwas Gerechtes und sogar Heiliges und munterte mit allen Registern der Rhetorik zur Gewalt ge gen die „Heiden“ auf. http://www.zisterzienserlexikon.de/wiki/Bernhard_von_Clairvaux
Es erinnert an Joh 16,2-3. Es kam 1147 zum 2. Kreuzzug, der 1149 in einer Katastrophe endete.
Bernhard galt als glühender Marienverehrer, weswegen er oft mit ihr dargestellt wird. Aus Sankt Bernhards Herzen ist erstmals auch jenes kleine Mariengebet geflossen, das seitdem ungezählte Marienverehrer beglückt und begnadet hat. https://www.marianisches.de/heilige-und-selige/b/bernhard-von-clairvaux/
Er muss eine Person von großem Faszinosum gewesen sein. Bereits 1174 wurde er heilig gesprochen. Auch wenn er in diesem Lebensbild als „Charismatiker“ bezeichnet wird, jemand, der durch Kreuzzugsbegeisterung und süße Mariengebete bekannt ist, sollte nicht unbedingt als ein Gesicht der Reformation angepriesen werden.
Franz von Assisi (Seite 16) ist für mich eine tragische Gestalt, die es sicherlich von Herzen gut meinte. Als er 1224 am Berg von Alverna eine Vision des gekreuzigten Christus hatte, waren bei ihm die Wundmale zu sehen. Er war übrigens der Erste, bei dem solche Stigmata auftraten. Er fügte zu den vielen Irrlehren Roms damals eine weitere hinzu. Es handelt sich um einen Jesus, der immer noch leidet, immer noch geopfert wird, wie es die katholische Eucharistie lehrt, immer noch blutet bzw. bluten muss. Es ist ein völlig anderer, als der, den das Wort Gottes offenbart. In meinem Heimatland Österreich waren es nach den Jesuiten die Franziskaner, die am meisten die Reformation bekämpften und Protestanten und Wiedertäufer austilgten.
Ein besonders schlimmer Fehlgriff ist meiner Ansicht nach Meister Eckhart (S. 20). Von ihm gibt es eigentlich schon blasphemische Zitate: "Wenn Gott nicht wäre, so wäre ich nicht und wenn ich nicht wäre, so wäre Gott nicht." Dieses Zitat ist eine "fatale Umkehrung" und lehrt, dass der "absolute Geist [Gott] im menschlichen Geist zum Bewusstsein seiner selbst kommt." Die Bibel jedoch lehrt, dass zwischen dem endlichen und unendlichen Geist, zwischen dem Menschen und Gott, ein Gegensatz besteht. Helmut Lamparter, Prüfet die Geister, Aussaat-Verlag, Wuppertal, 1961, S.75-76.
„Darum bitte ich Gott, dass er mich Gottes quitt mache, denn mein wesentliches Sein ist oberhalb von Gott…“ Meister Eckhart, Q413,29, zitiert in Willigis Jäger, Wiederkehr der Mystik. Das Ewige im Jetzt erfahren, Freiburg im Breisgau: Herder, 2004, S. 152.
Er ist eine Art „Urvater“ der Mystiker, gemäß deren Verständnis man Gott im Grunde seiner Seele findet, trage doch jeder Mensch den sogenannten göttlichen Funken in sich. Der Mystiker bzw. Schwärmer kann sich ohne Wort Gottes bei Gott „andocken“, er braucht sich nur in sich versenken, um angeblich tiefer mit Gott Gemeinschaft zu haben. Kontemplation und „Meditation“ sind deswegen bevorzugte Themen innerhalb dieser Strömungen. Empfohlen werden dann eine passive Stille, Atemübungen oder die Vorstellung eines unendlichen Ozeans, in den es einzutauchen gilt.
Die Mystiker finden Gott nicht primär in seinem Wort sondern in ihrem tiefsten Seelengrund, in den gewöhnlich über eine passive Stille hineingetaucht wird. Ein besonders extremes Beispiel ist Thorsten Hebel. Er hat zwar inzwischen offen in seinem Buch „Freischwimmer“ bekannt, wie er seinen Glauben an Gott verloren hat, praktiziert nun dafür die Gegenwart Gottes durch Meditation. „Nein, das ist christliche Mystik. Ich nehme mir jetzt etwa dreimal die Woche meditative Auszeiten. Ich… versuche in mich hineinzugehen. Ich bade in der Präsenz Gottes: Gott in dir und du in Gott. Es geht weniger um den Verstand, sondern darum, die Präsenz Gottes zu spüren und zu erleben. … Ich rede über Sex mit Gott … dann kommt Gott ganz zärtlich, es ist wie ein Kraftstrom.“ ideaSpektrum 6/2016.
Der Mystiker möchte Gott spüren, fühlen, manchmal sogar riechen oder genießen bzw. schauen.
Die Reformation stellte das Wort wiederum in den Mittelpunkt. Der mystische Schwärmer sucht den Geist neben oder gar außerhalb der Bibel und vertraut einem inneren Wort. Die von ihm empfohlene Stille ist nicht ein intensives Nachdenken bzw. Meditieren über Gottes Wort (Psalm 1), sondern ein sich Entleeren mit einem passiven Verstand, oft verbunden mit einer bestimmten Atemtechnik und der Aufforderung, die Gedanken abzustellen. Aus dem persönlichen Gegenüber und der vertrauten Zwiesprache mit dem lebendigen Gott wird eine Methode bzw. Technik, zum Beispiel das Atem- oder Herzensgebet, das besonders Bruder Lorenz empfohlen bzw. angewandt hat. Georg Walter, Evangelikale und die Mystik, Betanien-Verlag, 2013, S. 52. Die Gegenwart Gottes wird „praktiziert“ und man gleitet damit ahnungslos in ein magisches Weltbild. Es erinnert an Matth. 6,7 und ist jedenfalls das Gegenteil von der Wachsamkeit, zu der uns der Herr Jesus in seinen Abschiedsreden so oft ermahnt (z.B. Mark 13,33-37).
Auf ähnlicher mystischer Wellenlänge ist auch Johannes Tauler (S. 22), dessen Lehrer niemand anderer als der berühmte Dominikaner Meister Eckhart war. „So predigte er die Einheit mit Gott im Sinne der Deutschen Mystik“. Es ist dies übrigens der typische Klostergeist, der inzwischen auch immer mehr im evangelikalen Lager besonders über Kommunitäten sich ausbreitet.
Als jemand, der selber halbintern im katholischen Kloster war, ist mir diese Atmosphäre nicht unbekannt.
Eines der stärksten mystischen Medien ist für mich Teresa von Avila (S. 73), und die Tatsache, dass sie nun auch im evangelikalen Lager immer mehr Bewunderer und Anhänger findet, sehe ich mit wachsender Sorge. Denn viele große »Heiligen« der katholischen Kirche waren tatsächlich irregeführte Medien einer fremden Macht und hatten Symptome von (zeitweiliger) Besessenheit. So litt Teresa von Avila dauernd an Ohrensausen und Schwindelanfällen; sie konnte fast zwei Jahrzehnte kaum essen. Herzattacken und Nervenschmerzen führten nahezu zum Tode. Teresa hatte
Höllenvisionen. Eberhard Straub, „Das Experiment einer Seele mit Gott“, FAZ, 2. Okt. 1982, Nr. 228.
Ihre bekannteste Vision war die sogenannte Transverberation, die Durchbohrung ihres Herzens. „Ich sah einen Engel neben mir, an meiner linken Seite, und zwar in leiblicher Gestalt, was ich sonst kaum einmal sehe. […] Er war nicht groß, eher klein, sehr schön, mit einem so leuchtenden Antlitz, daß er allem Anschein nach zu den ganz erhabenen Engeln gehörte, die so aussehen, als stünden sie ganz in Flammen. […] Ich sah in seinen Händen einen langen goldenen Pfeil, und an der Spitze dieses Eisens schien ein wenig Feuer zu züngeln. Mir war, als stieße er es mir einige Male ins Herz, und als würde es mir bis in die Eingeweide vordringen. Als er es herauszog, war mir, als würde er sie mit herausreißen und mich ganz und gar brennend vor starker Gottesliebe zurücklassen. Der Schmerz war so stark, daß er mich […] Klagen ausstoßen ließ, aber zugleich ist die Zärtlichkeit, die dieser ungemein große Schmerz bei mir auslöst, so überwältigend, daß noch nicht einmal der Wunsch hochkommt, er möge vergehen, noch daß sich die Seele mit weniger als Gott begnügt. Es ist dies kein leiblicher, sondern ein geistiger Schmerz, auch wenn der Leib durchaus Anteil daran hat, und sogar ziemlich viel.“ http://de.wikipedia.org/wiki/Teresa_von_%C3%81vila#Geistliche_Erfahrung
Ich bezweifle keinen Moment die Faktizität dieser Erlebnisse. Mir ist es jedoch immer noch ein Rätsel, wie man solch offensichtliche Phänomene aus der Geisterwelt nicht durchschauen will und als göttlich erklärt. Hier ist der „Engel des Lichts (2. Kor. 11,13-14) kaum getarnt.
„Sie erzählte u.a. dass sie das Gefühl übermannte, bei ihren Visionen stranguliert zu werden. Als eifrige katholische Nonne hatte sie wenig Respekt für die Protestanten. Sie war überzeugt, dass diese aufgrund ihrer Ablehnung des Papstes und der katholischen Messe verflucht seien.“ Georg Walter, Evangelikale und die Mystik, Betanien-Verlag, 2013, S. 191.
George Fox (S. 88) war ein beeindruckender Pionier in seinem Streben nach religiöser Toleranz und Freiheit, der ganz sicherlich nach seinen Idealen leben wollte. Vieles war in seinem Verhalten vorbildlich. Das entbindet uns aber nicht von dem Auftrag, solche Phänomene zu prüfen, die sich bei ihm öfters zeigten. So heißt es in diesem Porträt: Häufig, wenn der Geist über ihn kam, überfiel ihn ein Zittern und er sprach ohne Rücksicht auf Ort oder Zuhörerschaft. Seine Anhänger wurden bald „quakers“ - „Zitterer“ - genannt (S. 88).
Die Verfechter des Toronto-Segens beriefen sich mit ihren Phänomenen nur allzu gerne auf diesen Gründer der Quäker, unter dessen Verkündigung Menschen anfingen zu zittern und sich zu schütteln. Bei aller schon erwähnten Achtung vor der moralischen Integrität und dem sozialen Anliegen dieses Mannes und seiner Anhänger, sollte man aber auch wissen, dass George Fox die Kirche, das Amt und schließlich sogar die Bibel als Autorität verworfen hat. Er war davon überzeugt, dass nur eine „innere Salbung“ die Vollmacht zur Verkündigung geben würde.
„Jesus Christus wurde ihm im Gegensatz zum Autoritätsglauben an die Bibel der echte Lehrer, der das innere Licht als die ‚Saat Gottes‘ aufgehen läßt. Die Freiheit Gottes, sich nach seinem Ermessen zu offenbaren, hat (so George Fox) die menschliche Freiheit von Bibel, Dogma und kirchlicher Institution zur Folge. Echter Gottesdienst kann nur im Warten auf die unberechenbare Offenbarung bestehen.“ Die Religion in Geschichte und Gegenwart“ Bd. 2, Mohr, Tübingen 1986, S. 1010 .
Auch hier zeigt sich, wie bedenklich es ist, Männer und Frauen der Kirchengeschichte unbekümmert ob ihrer theologischen Irrtümer als Zeugen für ein „neues“ Phänomen zu zitieren.
Auch Gerhard Tersteegen kannte so ein Zittern und wird deswegen gerne von Vertretern solch direkter Inspirationen angeführt.
Ernst Buddeberg hat wegen der damals in die Gemeinschaftsbewegung eingebrochenen Zungen-bewegung warnend dargelegt: Gott will durch sein offenbartes Wort mit uns verkehren. - Die Schwärmerei will darüber hinaus "inneres" Wort Gottes haben und richtet ein neues Prophetentum mit autoritativer Gewalt auf. b) Gott will durch seinen Sohn mit uns verkehren. - Die Schwärmerei löst den Geist von der Person Christi. f) Gott tut uns seinen Willen vornehmlich kund durch sein Wort, durch die Lebensführung und durch erfahrene Christen- - Die Schwärmerei will nur unmittelbar vom Geist geleitet werden.Zitiert bei Paul Fleisch: "Die Pfingstbewegung in Deutschland", Feesche Verlag Hannover 1957, S. 170.
Mehr als fragwürdig ist für mich Jeanne Marie Guyon (S. 96). Sie vertrat eine ebenso mystische wie streckenweise gegenreformatorische Frömmigkeit. So war sie Vorsteherin eines Klosters in der Nähe von Genf, in dem protestantische Töchter und Neukatholikinnen im katholischen Glauben (!) erzogen und gegründet werden sollten. Es ging von einem Kloster zum anderen.
In schwärmerischer Gefühlsergriffenheit nannte sie Jesus ihren divin epoux (himmlischen Bräutigam) ähnlich wie die Marienschwestern. Entscheidend war für sie der Rat eines stark der Mystik ergebenen Franziskaners: Madam, das kommt daher, daß Sie draußen suchen, was Sie in Ihrem Inneren haben. Gewöhnen Sie sich daran, Gott in Ihrem Herzen zu suchen, und Sie werden ihn darin finden.“ Aus Real-Enzyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, Band 5, Leipzig, 1879, S. 480.
Also Gnosis oder wie man heute sagen würde, New Age. Wie oben dargelegt, Gott als der Urgrund alles Seins und somit das Gegenteil von Röm. 7,18.
In ihrer Autobiographie erklärt Madam Guyon: Ich schreibe nicht aus meinem Geiste, sondern durch den inneren Geist. Griff ich zur Feder, so wusste ich kein Wort von dem, was ich schreiben würde; und auch nachher nicht, was ich geschrieben hatte. Es floß – im Strömen des inneren Lichts – gleichsam aus der Tiefe hervor. Und nahm nicht den Weg über den Kopf. Die Geschwindigkeit, mit der ich schrieb, war so groß, daß mein Arm anschwoll und ganz steif wurde... Ich schrieb Tag und Nacht ununterbrochen, wobei die Hand kaum Schritt halten konnte mit dem diktierenden Geist. Während dieser Arbeit benutzte ich nie ein Buch. Ein Schreiber konnte in fünf Tagen kaum abschreiben, was ich in einer einzigen Nacht geschrieben hatte.“ „Während ich schrieb, sah ich, daß ich über Dinge schrieb, die ich nie gesehen hatte, und daß Schätze an Wissen und Erkenntnis in mir schlummerten, von denen ich nichts ahnte.“ Kurt Hutten, Seher Grübler Enthusiasten, Quell Verlag Stuttgart, 1982, S. 620.
Trotz dieses so offensichtlich klassischen Phänomens des automatischen Schreibens, wie man es im frommen Spiritismus und eben nicht in der Bibel kennt, hatte und hat sie noch immer großen Einfluss auf das protestantische und pietistische Lager. Man wird an Luk. 11,35 bzw. 2. Kor. 11,4 erinnert, „wenn ihr einen fremden Geist empfanget, … so ertraget ihr das recht gern!“
Jonathan Paul (S. 364) war sicherlich ein begnadeter Man und begabter Verkündiger. Durch seinen großen Einfluss allerdings kam es am Beginn des vorigen Jahrhunderts nach dem Einbruch des Pfingstgeistes zu der Trennung von der Gemeinschaftsbewegung und zur Entstehung der Mühlheimer Bewegung. Bekannt ist von ihm die Irrlehre des reinen Herzens. Noch tragischer sind seine letzten Worte, die sein Schwiegersohn Heinrich Vietheer berichtet. „Ehe Pastor Paul heimging, rief er uns und alle die Missionsgeschwister, die gerade in meinem Missionshause anwesend waren, zusammen und sagte uns: Ich war am Bahnhof der Ewigkeit, und die Tür war mir verschlossen, und es wurde mir gesagt: Du hast von dem Gift der alten Schlange getrunken." Heinrich Vietheer, Unter der guten Hand Gottes, S. 152.
Smith Wigglesworth (S. 378) war es, der über David du Plessis, genannt Mr. Pentecost, 1936
weissagte, er werde die Pfingstbotschaft in alle Kirchen, einschließlich der Katholischen tragen. Für diesen Brückenschlag nach Rom wurde du Plessis von der damaligen Pfingstgemeinde ausgeschlossen. Zu jener Zeit wusste praktisch noch jeder aus dem nichtkatholischen Lager, dass die Papstkirche nicht die Kirche Christi sein kann und solche Führungen nicht vom Heiligen Geist stammen. Dieses Wissen ist inzwischen immer mehr am Verdunsten.
Sogar in diesem Beitrag wird zugegeben, dass Wigglesworths Methoden mitunter unorthodox
waren. Gemäß „Apg. 19,12 segnete er Taschentücher, damit sie Kranken zu Hause aufgelegt werden können“ (S. 379). Ähnliches praktiziert auch Peter Wenz in seinem Gospel Forum. „Ich kenne viele Beispiele, wo wir den Kranken Tücher unter den Kopf legten, und am nächsten Morgen waren sie gesund.“ ideaSpektrum 46/2006
Es zeigt ein zutiefst magisches Verständnis vom Wirken des angeblich Heiligen Geistes.
In Wigglesworths Biographie wird berichtet, wie er einer angeblich besessenen Frau zwecks „Befreiung“ die Faust in den Magen schlug, mit dem Hinweis, der Schlag gelte nicht ihr, sondern dem Dämon. Also die Verwechslung von Sichtbarem mit Unsichtbarem. Es erinnert an heidnische Methoden des Exorzismus, wo man diese armen Opfer noch physisch misshandelt.
Die damaligen Leiter von Gnadau hatten also Grund, vor diesem Mann zu warnen, in dem sich ganz offensichtlich frommer Spiritismus mit Bibel vermischte. Doch wovor die Väter noch gewarnt haben, wird inzwischen in unseren Tagen von führenden Größen der Allianz willkommen geheißen.
Albert Schweitzer (S. 428) gehört mit seiner Geschichte der Leben-Jesu-Forschung zu den schlimmsten Bibelkritikern überhaupt. Dazu nur ein Zitat aus diesem Werk aus dem Jahre 1906: „Der Jesus von Nazareth, der als Messias auftrat, die Sittlichkeit des Gottesreiches verkündete, das Himmelreich auf Erden gründete und starb, um seinem Werke die Weihe zu geben, hat nie existiert. Es ist eine Gestalt, die vom Rationalismus entworfen, vom Liberalismus belebt und von der modernen Theologie in ein geschichtliches Gewand gekleidet wurde".
Schweitzer war zweifellos ein hochbegabter Mann, doch dadurch wird er mit seiner rigorosen Kritik an Gott und seinem Wort nur gefährlicher. Die Bibel nennt Menschen mit solch einer Einstellung, auch wenn ihnen die Welt die akademischen Titel und sogar den Nobelpreis zu Füßen legt, die elendsten unter den Menschenkindern (1. Kor. 15,19). Welche Maßstäbe gelten heute unter den sogenannten Evangelikalen? Wenn das Beurteilungskriterium ein vorbildliches Leben ist, das sich für andere einsetzt, könnte dann nicht auch Mahatma Gandhi unter den Gesichtern der Reformation aufscheinen? Doch gerade eingedenk der vor 500 Jahren beginnenden Reformation sollte die Devise lauten „Die Schrift allein“, zurück zu Gott und seinem Wort.
Albert Schweitzer in dieser Auflistung zu finden, zeigt nur, wie sehr postmodernes und pluralistisches Denken bereits unsere Reihen infiltriert hat, wie sehr, - jedenfalls bei einigen - humanistische und nicht mehr geistliche, vom Wort allein her bestimmte Maßstäbe auch fromme Beurteilung beeinflusst.
Ähnlich überrascht bis leicht fassungslos war ich, als ich auf Pierre Teilhard de Chardin (S. 450) stieß. Er gilt mit seinem Buch „Der Mensch im Kosmos“ als der Vater der New Age-Bewegung. Gespeist von einer Vision einer brennenden Hostie, die schließlich das ganze Universum erfasst und als großer Verehrer der katholischen Maria propagierte dieser jesuitische Priester den kosmischen Christus. Es ist ein pantheistischer Jesus, der ein kosmisches Bewusstsein vermitteln soll.
Teilhard de Chardin lehrte, dass Gott das Bewusstsein des Universums sei, dass alles eins ist, und dass alles eine Evolution zu einer größeren Erleuchtung hin, zu einem höchsten Punkt der Vollkommenheit durchmacht. Er bezeichnete diese Vollkommenheit als Christus, den Geist der Erde, und als den Punkt Omega. Er war glühender Evolutionist und sprach viel von Christus, aber sein Christus war nicht der Christus der Bibel, also wiederum eine traurige Erfüllung von 2. Kor. 11,4. Teilhard de Chardin verstand sich aber auch als Pantheist. Durch seine Werke vermittelte er die in der New Age-Bewegung um sich greifende Überzeugung, auf die Menschheit warte ein universeller evolutionärer Quantensprung, der sie auf mystischer Ebene mit Gott, Natur, Materie und auch mit sich selbst vereint.
Für Teilhard war Mystizismus das Herz wahrer Religion und im Prinzip ein pantheistischer Glaube an die Einheit des Universums. „Ohne Mystizismus kann es keine förderliche Religion geben: und es kann keinen gut begründeten Mystizismus ohne den Glauben an eine Vereinigung des Universums geben.“ “The Road of the West: To a New Mysticism,” cited from Ursala King, Spirit of Fire, S. 141
Teilhard de Chardin beschrieb seine Meditationspraxis als „in das innerste Selbst einzugehen, in die tiefsten Abgründe. … Bei jedem Schritt in die Tiefe wurde eine neue Person in mir offenbar, deren Namen ich mir nicht sicher war zu kennen, und die mir nicht länger gehorchte.“ The Divine Milieu, Benzinger, 1990, S. 76.
Mehr als deutlich kann man hier erkennen, wie die Mystik alle konfessionellen und religiösen Grenzen überspringt. Der Mystiker ist gewöhnlich auch ein leidenschaftlicher “Prophet” der Einheit und dementsprechend ist der “Todfeind” der Mystik die biblische Lehre. Doch der Kampf um Dogmen ist heute megaout und mit dem Hinweis auf die Pharisäer bzw. toten Buchstabenglauben werden Warnungen vor der Mystik und gewissen “beseligenden Erfahrungen” zurückgewiesen.
Zwar passt die Erwähnung von Teilhard de Chardin in diesem Buch einigermaßen zu dem derzeit herrschenden auch evangelikalen Zeitgeist bzw. zu zunehmender Durchblickslosigkeit. Doch letztlich ist für mich seine Anwesenheit, ähnlich wie die von Albert Schweitzer, in einem Werk, das auch die begnadetsten Männer und Frauen der Kirchengeschichte auflistet, ungefähr so, als wären in nahrhaften Speisen nun etliche Dosen von Zyankali beigemischt. Allerdings ist es genau das, was sich heute auch in den meisten evangelikalen Verlagen vorfindet. Von Vitaminen bis Strychnin, von geistlichen bis New Age-Büchern ist alles vorhanden bzw. aufgetischt.
Afrikanischer Animismus vermischt mit einigen Bibelversen ergibt recht schnell „charismatische“
Phänomene. Der Vater der charismatischen Bewegung auf deutschem Boden, Arnold Bittlinger, machte folgende Beobachtungen: Im Zuge meiner Nachforschungen begann ich mich für die afrikanischen unabhängigen Kirchen zu interessieren, wo ich eine harmonische Vermischung von traditionellen afrikanischen und christlichen Elementen vorfand. Als ich entdeckte, daß viele charismatische Elemente dieser Kirchen ihre Wurzel in vorchristlichen Traditionen hatten, begann ich auch nach charismatischen Elementen in anderen Religionen Ausschau zu halten. Ich entdeckte, daß vor allem die Charismata der "Heilung" und der "Prophezeiung" in solchen Religionen manchmal überzeugender waren als in der charismatischen Erneuerungsbewegung - wenigstens soweit sie von der nordamerikanischen Art des Christentums beeinflußt ist. Im Schamanismus fand ich faszinierende Parallelen zu dem Dienst Jesu, den ich immer mehr als einen Archetypus des Schamanen erkannte. Bezüglich "Heilung" war ich besonders beeindruckt durch den ganzheitlichen Zugang zur Heilung, den ich unter den Indianern fand. Das hat mich motiviert, solch einen Zugang auch für unsere christlichen Heilungsdienste zu ermöglichen. Arnold Bittlinger, Integrating Other Religious Traditions into Western Christianity, S. 96-97.
Hier wird eigentlich ziemlich ungeschminkt festgestellt, aus welchen Quellen die auch bei uns immer beliebter werdenden Heilungsdienste und prophetischen Gabenaufbrüche tatsächlich gespeist werden.
Jedenfalls wurde ich an dieses Zitat erinnert, als ich den Beitrag über Simon Kimbangu (S. 470) las. Wenig Bibelkenntnis, dafür aber Visionen, Handauflegungen und Heilungen, so, als würde man solche Phänomene nicht zur Genüge bei den Zauberpriestern und Medizinmännern kennen. Dann jedoch scheint man beeindruckt von den großen Wachstumszahlen. Eine Bewegung, die sogar Millionen Anhänger um sich scharen konnte, kann ja nur “die Kraft Gottes, die große sein” (Apg. 8,10). Dass bei solchen häufig schnellwachsenden Strömungen oft ein großes lehrmäßiges Durcheinander herrscht, wird in diesem Beitrag sogar erwähnt. „In den letzten Jahren wird diese Kirche jedoch vom Machtwahn ihrer Leitenden, den Nachkommen Kimbangus, gegängelt. Sie haben sich samt dem Gründer zu Personen der göttlichen Dreieinigkeit erklärt“ (S. 471).
Explosionsartiges Wachstum verbunden mit schlimmsten Irrlehren und Machtgebaren, das kann man in diesen Ländern immer wieder beobachten. Besonders beliebt ist die Bezeichnung Prophet oder Apostel, getragen von einem besonderen Sendungsbewusstsein. Dementsprechend groß ist die Ehrfurcht, die man ihnen entgegenbringt. Wer nicht über die Heilungsgabe verfügt, hat so gut wie keine Autorität.
Wie ein Steppenbrand breitet sich in solchen Ländern das Wohlstandsevangelium aus, von Charismatikern oft als Beleg großer Erweckungen unserer Tage angesehen, in Wirklichkeit ein verheerender Dammbruch.
Sadhu Sundar Singh (S. 484)
Als Jungbekehrter hat mich seine Biographie sehr beeindruckt. Seine Nachfolge war vorbildlich
und er gilt in Indien für die Christen dieses Subkontinents als “Patron saint”, als Schutzheiliger.
Wegen dieser unvergleichlichen Hingabe und des exemplarischen Lebensstils hielt man seine außergewöhnlichen Erlebnisse, Träume, Visionen und Entrückungen in die jenseitige Welt für göttlich. Sein Buch “Gesichte aus der jenseitigen Welt” begeisterte Evangelikale, Pfingstler, aber auch die Anhänger der ‚Kirche des neuen Jerusalems‘. Sie schickten Sundar Singh die Bücher ihres Gründers und Geistersehers Emanuel Swedenborg, den man problemlos als den Vater des modernen Spiritismus bezeichnen kann, auf jeden Fall den größten Spiritisten des 18. Jahrhunderts.
Sundar Singh war hocherfreut und antwortete in einem Brief: Swedenborg war ein großer Mann, ein Philosoph, Wissenschaftler und vor allem ein Seher klarer Gesichte. Ich spreche oft mit ihm in meinen Visionen. ... Nachdem ich seine Bücher gelesen habe und mit ihm in der geistigen Welt in persönliche Beziehung gekommen bin, kann ich ihn unbedingt als einen großen Seher empfehlen. In einem Brief vom 12. Nov. 1928 schrieb Sundar Singh: Ja, ich habe den verehrten Swedenborg in meinen Gesichten mehrmals gesehen. Er ist eine sehr liebenswerte Persönlichkeit und hat im Himmel eine hohe Stellung inne; A.J. Appasamy, Sundar Singh, Verlag Friedrich Reinhardt AG., Basel, S. 271 u. 273.
Bei diesen Aussagen nun hätte man merken können, dass dieser hingegebene Zeuge Jesu dank seiner Eingebungen in dem Spiritismus verstrickt war. Doch hat man diese anstößigen Stellen in Biographien gewöhnlich weggelassen und damit die arglosen Gläubigen verführt. Eine Fälschung, die das Echte genauer imitiert, ist deswegen nicht besser, sondern nur gefährlicher.
Hier zeigt sich nun am deutlichsten der Unterschied zwischen der Intention jener neo-evangelikalen Herausgeber dieses hier rezensierten Buches und meiner Betonung. Es werden diese Offenbarungen und Phänomene verglichen mit den Erfahrungen des Apostels Paulus und als Begründung wird gewöhnlich eine Bibelstelle, hier 2. Kor. 12,2, angeführt. Doch tatsächlich ist man in der Geisterwelt gelandet, im blanken Spiritismus. Und das ist nun wirklich keine Kleinigkeit oder Nebensache, ob am Ende des Lebens Paradies oder Hades steht. Es geht letztlich um Hölle oder Paradies, Leben oder Tod. Wer hier versucht zu vermitteln oder Brücken zu bauen, ist, auch bei besten Absichten, die zu beurteilen uns nicht zusteht, letztlich ein Werkzeug der Verführung.
Doch ist dies leider ziemlich genau das, was sich in unseren Tagen abspielt. Man hat Eingebungen und hört Stimmen, propagiert hörendes oder prophetisches Gebet und überklebt es mit einer Bibelstelle. Man nennt es beispielsweise die Gabe der Prophetie oder Erkenntnis, während es tatsächlich Hellseherei ist. Man spricht von Gabe der Heilung und „belegt“ seine magischen Heilungshandlungen mit 1. Kor. 12 oder Apg. 19,12 und in Wirklichkeit sind es die wirksamen Kräfte der Verführung (2. Thess. 2,11).
Es ist schon Jahre her, als ich Friedrich Hänssler fragte, warum er die zweite Auflage von Friso Melzers Buch „Sadhu Sundar Singh“ verhindern wollte. Friso Melzer hat nicht zufällig hier eine geistige Verwandtschaft mit diesem indischen Heiligen empfunden. Die Antwort lautete: „Ich musste feststellen, dass den Löwenanteil dieses Buches die Deutsche Gesellschaft für Parapsychologie bestellt hatte.“
Und ich möchte all denen, die meinen, mit solchen Impulsen und Eingebungen die Gemeinden zu bereichern, ins Stammbuch schreiben: Wenn Sundar Singh betrogen werden konnte, dessen Hingabe für mich immer noch bewundernswert ist, dann kann auch jeder von uns verführt werden, falls wir so töricht sind, auf innere Bilder, Eindrücke, Träume und übernatürliche Erfahrungen zu achten. Dies besonders in unseren Tagen, wo wir es mit einer regelrechten Okkultinvasion zu tun haben. Dementsprechend werden solche Eingebungen und „Inspirationen“ immer beliebter, auch in unseren Kreisen.
Fast prophetisch haben Evan Roberts und Jessie Penn-Lewis in dem Klassiker „War on the Saints“ dies schon vor 100 Jahren vorweggenommen, was sich heute abspielt: Wie viele lassen sich z.B. beim Beten in passives, apathisches ‚Warten auf Gott’ hineinsinken oder bringen ihren Geist absichtlich zum Schweigen, um ‚Eindrücke von oben’ zu empfangen, die sie für göttliche Offenbarungen halten. Jessie Penn-Lewis „Der bedrohte Christ“, Exodus, S. 141-142.
Noch ein weiteres Zitat aus diesem “Klassiker”: Es gibt heute viele Betrogene unter den Aufrichtigsten und Besten, weil sie nicht wissen, daß Satan ein Heer betrügerischer Geister entsandt hat, um Gottes Volk zu verführen, und daß den geistlichen Gliedern der Gemeinde eine besondere Gefahr aus dem Bereich des Übernatürlichen droht. Denn von dort flüstern die Verführer ihre „geistlichen“ Lehren allen denen zu, die „geistlich“ d.h. für geistliche Dinge offen sind, und besonders den zum Lehren Berufenen. Und sie suchen ihre Irrtümer mit Wahrheit zu vermischen, um sie glaubwürdiger zu machen“ JessiePenn-Lewis, Evan Roberts, War on the Saints“, »Kampf nicht mit Fleisch und Blut«, S. 22-23.
Vor Hermann Zaiss (S. 486) haben die Väter noch deutlich gewarnt. So schrieb der begnadete Verkündiger Wilhelm Busch einen warnenden Artikel über den „Heilungsdiener“ Hermann Zaiss, unter ausdrücklicher Berufung auf die Berliner Erklärung: „Die Brüder haben damals in den Stürmen jener Zeit zweierlei gelernt: 1. Der Teufel kann sich verstellen in einen Engel des Lichts, wie die Bibel sagt. Es kann also geschehen, dass eine Bewegung den Namen ‚Jesus’ rühmt und doch einen ‚fremden’ Geist, ein ‚fremdes’ Feuer (3. Mose 10) hat. 2. Wunder beweisen nichts. Denn nach Offenbarung 13,13 tut auch der Geist aus dem Abgrund Wunder... Nein! Mit diesem Geist wollen wir nichts zu tun haben ... Unser Herz schreit nach Erweckung. Aber nicht auf diesem Weg der alten, wieder neu aufgelegten Pfingstbewegung. Nein! Auf diesem Wege nicht!“Gerhard Jordy, Die Brüderbewegung in Deutschland, Teil 2., Brockhaus Verlag, S. 80-81)
Doch wovor früher gewarnt wurde, wird inzwischen hofiert bzw. verharmlost. Ähnliches hat sich im Bereich der Moral bzw. Ethik, die ja der wahre Gradmesser geistlicher Kraft sind, abgespielt. Abtreibung und Förderung von Homosexualität wurden früher bestraft, heute belohnt. Inzwischen ist auch das evangelikale Lager streckenweise moralisch so degeneriert, dass man darüber ernsthaft debattieren muss, ob man praktizierte Homosexualität nicht nur tolerieren, sondern auch akzeptieren sollte.
In diesem Beitrag werden auch Zaiss‘ erstaunlichen Krankenheilungen gewürdigt (S. 487). Der ehemalige Allianzvorsitzende Dr. Rolf Hille erklärte im Zusammenhang mit der Vorstellung, im sogenannten vollmächtigen Evangelium sei Heilung mit inbegriffen: Zwar sei für Christen die Schuldfrage dadurch geklärt, dass Jesus Christus Sünden vergebe, jedoch bleibe die Frage nach Glück und Wohlergehen im irdischen Leben offen. Die charismatische Bewegung sei für ihn in dieser Hinsicht „die tragischste Bewegung in der Geschichte der Kirche“, so Hille. Sie scheitere an einer fehlerhaften Bibelauslegung, da sie Heilung als Normalfall und Krankheit als Ausnahmefall ansehe. Der Wunsch nach Wiederherstellung des Paradieses erfülle sich jedoch nicht in diesem Leben. ideaSpektrum 36/2009, S. 14.
Mit dieser leider tragischsten Bewegung der Kirchengeschichte versucht man nun auch immer mehr unsere Kreise zu „erwecken.“ Das soll mit keiner Silbe heißen, dass Gott nicht heute auch heilen kann. Doch hier geht es um eine falsche Exegese. Wie mir Helmut Helling, der selber 10 Jahre Pastor einer Pfingstgemeinde war und sich dann distanzierte, in einem privaten Gespräch wörtlich sagte: „Ich kannte viele, die an ihrem Glauben gestorben sind.“
Auf Seite 574 wird Mutter Basilea (Klara Schlink) vorgestellt. Wiederum wollen wir deutlich zwischen Person und Lehre unterscheiden, doch ich halte den von ihr gegründeten Orden für eine der schlimmsten Psychosekten der Neuzeit. Ehemalige Mitglieder haben bekanntgegeben, was sich in den besonderen Offenbarungen der „Lichtstunden“ abspielte. So erklärte dieser „Jesus“ der Marienschwestern angeblich von seiner Mutter Maria: „Meine Mutter ist wie eine goldene Brücke...Sie kennt die verborgensten Wege der Liebe meines Herzens und bringt das auch den Menschen nahe‘.“ „Und ich weiß, daß der Herr Jesus auch unter uns immer gebeten hat und gesagt: Mein Opfer genügt heute nicht mehr! Ich brauche so viele Opferseelen noch dazu; die Sünde und das Grauen hat solch ein Ausmaß angenommen.“ Wer redet da eigentlich? Das Minimum des Evangeliums besagt doch, dass mit dem „Es ist vollbracht“ alles bezahlt worden ist.
An anderer Stelle ermahnt dieser „Jesus“: „Betet den Rosenkranz!“. In einem Schlussgebet vom 18. Mai 1982 sagte Klara Schlink: „Ja, wir danken Dir auch, unserer Mutter Maria, daß Du so viel Schmerzen jetzt durchleidest, so viel Schmach...Dein Herz ist wirklich durchbohrt und wund von lauter Leiden und Schmerzen. Du bist wirklich die Schmerzensmutter heute.“ Das alles ist nur die Spitze des Eisberges. (Alle Zitate aus „Interne Schriften der Marienschwesternschaft“, die im Rahmen einer Staatsarbeit zum Teil veröffentlicht wurden unter dem Titel „Christliche Existenz zwischen Evangelium und Gesetzlichkeit“, Marianne Jansson und Riitta Lemme Tyinen, im Verlag Peter Lang / Europäischer Verlag der Wissenschaften, Berlin, New York, Paris 1997).
Es ist einleuchtend, warum die Marienschwestern mit gerichtlicher Klage drohten, falls diese „Eingebungen“ und Christusvisionen, wie ursprünglich geplant, von idea dokumentiert worden wären. Auch der blauäugigste Schwärmer hätte dann zur Kenntnis nehmen müssen, dass dies nun doch nicht biblisch ist, auch bei großzügigster ökumenischer Deutung. Jeder hätte realisieren können, wie Mutter Basilea einem Irrgeist aufgesessen ist.
Dabei hatte Klara Schlink einmal eifrig begonnen, beflügelt von dem Wunsch, Jesus ganz zu dienen. Doch über Tersteegens Buch Leben heiliger Seelen, wo leider viele katholische Mystiker als Vorbilder vorgestellt werden und von diesem pietistisch geprägten Mystiker nicht durchschaut wurden, faszinierte sie das Leben der Teresa von Avila, die sie zu imitieren suchte. Es ist eine tragische Entwicklung und sie ist nicht die einzige, die über Tersteegen in eine mystische Richtung stolperte. Wie in dem Klassiker „War on the Saints“ dargelegt wird, sind viele Sekten und Irrströmungen durch eifrige Männer und Frauen entstanden, von denen die anderen Gläubigen sinngemäß sagten, „der Bruder oder die Schwester sind so hingegeben an den Herrn, sie können nicht betrogen sein.“
Klara Schlink entwickelte eine Leidensmystik, die sich immer mehr von der reformatorischen Erkenntnis der Erlösung aus Gnade allein entfernte. Etliche Charismatiker schwärmen jedoch bis heute von den Marienschwestern und so heißt es auch in diesem Buch zur Reformation: Ihr Vermächtnis ist von brennender Aktualität (S. 575).
Zwei ehemalige Marienschwestern haben dann noch ein Buch verfasst „Wenn Mauern fallen“, wo ebenfalls aufgezeigt wurde, welch ein knechtischer Geist in dieser Kommunität herrschte. Es ist eine Erfüllung – leider – von 2. Kor. 11,4 und 11,20. Der damalige Allianzvorsitzende Rolf Hille schrieb noch das Vorwort zu diesem Buch. Doch auch hier wieder, wovon sich die Allianz noch vor relativ kurzer Zeit distanzierte, wird inzwischen von unserem postmodernen Zeitgeist willkommen geheißen.
Wegen gewisser Parallelen zu den Marienschwestern nehme ich den Beitrag zu dem Ehepaar Walter und Hanna Hümmer (S. 604) vorweg. Sie gründeten 1949 die Christusbruderschaft Selbitz. Es wird die „prophetische“ Gabe der Frau Hümmer erwähnt und wie man im Raum der Stille die Stimme Gottes hören kann.
Auch hier spielten besondere Offenbarungen bzw. Eingebungen der Frau Mutter, Hanna Hümmer, eine entscheidende Rolle. So hieß es wörtlich im Zusammenhang mit den „Stillen Zeiten der Frau Mutter“: Direktweisung Gottes. Sie kommen senkrecht von oben, unmittelbar, direkt. … Das ist ja das Unfassbare: Gott entäußert sich in die Stillen Zeiten der Frau Mutter hinein, in dies irdene Gefäß hinein. Ja man kann sagen, Gott nimmt Knechtsgestalt an und wird an Gebärden wie ein Mensch. Gottes Wort kommt über das irdene Gefäß der Frau Mutter. Sie ist nur Kanal, sie ist passiv. Bruder Michael, Junggeschwisterstunde, 31. 12. 74, Thema: „Stille Zeit“
Also ähnlich wie bei den Marienschwestern meinte man, unter der Leitung besonders begnadeter Gefäße des Herrn zu stehen. Diesen Eingebungen darf auch nicht widersprochen werden, habe doch der Herr direkt durch jene so entschieden hingegebenen Schwestern geredet. Wer dann allerdings diese Berufungen bzw. Eingebungen in Frage stellt, konnte eine andere Seite der frommen Medaille kennenlernen. Es gibt ja keine andere Erklärung als Ungehorsam, denn wie kann man dem widersprechen, was Gott angeblich direkt mitgeteilt hat? Wie mir der Bruder wörtlich sagte, der eine Zeitlang in Selbitz dabei war und mir diese Korrespondenz und Unterlagen vor Jahrzehnten in die Hand drückte: „Sie haben Harpunen in meine Seele geschossen.“
Whitefield sagte in einer im Jahre 1746 veröffentlichten Predigt vor einer Gemeinde in Neuengland: Es macht das Wesen der Schwärmerei aus, daß sie vom Geist Gottes ohne das Wort geführt sein will; Benedikt Peters, George Whitefield, CLV, 1997, S. 221 Die Bibel dient dann oft nur als Feigenblatt, das innere angeblich direkte Wort hat viel mehr Gewicht und Überzeugungskraft.
Selbitz hat auch vor einiger Zeit gemäß einer idea-Meldung gemeinsam mit anderen Kommunitäten erklärt, wie sie sich durchaus den Papst als Oberhaupt der christlichen Kirche vorstellen können. Also ungeschminkte Gegenreformation. Luther würde sich im Grabe umdrehen.
Friso Melzer (S. 598) befasste sich sehr mit der Mystik und empfahl seinen Studenten an der damaligen FETA sogar, die Exerzitien des Ignatius von Loyola zu praktizieren. Loyola war der Gründer des Jesuitenordens, voller Christus- und Marienvisionen, und wurde zum schlimmsten Werkzeug der Gegenreformation.
Das Rosenkranzgebet sah Melzer eher positiv und schrieb dazu: "Vielmehr liegen hier
Möglichkeiten des betrachtenden Gebets, das den Beter bis in die Meditation hineinführen, in ihr erhalten kann." Meditation in Ost und West, Stuttgart 1957, Evangelisches Verlagswerk, S. 99.
Mehr als ungewöhnlich sind seine Vorschläge, auf einen Totenschädel zu meditieren: "Damit erschließt sich uns eine im Mittelalter vollzogene Übung: Der Fromme hat einen Totenschädel vor- sich hingestellt (damals war das noch möglich) - er tritt gegen Abend oder des Nachts vor ihn hin und prägt sich ein, daß auch von ihm einmal nichts weiter als solche Knochen übrig bleiben werden. Aber - und das unterscheidet ihn von Übungen ähnlicher Art, etwa im Buddhismus - er hat diesen Totenschädel so aufgestellt, daß er unter dem Cruzifixus steht." Konzentration Meditation Kontemplation, Kassel 1974, Stauda, S. 100.
Somit besteht der einzige Unterschied zu einer Übung, wie sie im Buddhismus häufig praktiziert wird, nur darin, dass ein Kruzifix darüber angebracht ist.
Für das Wort "Meditation" wählte er den Begriff "Innerung". Er warnt bei solchen Techniken vor einer falschen Art der Atmung und vor Gegenständen, die als Objekt der Besinnung nicht angebracht seien, etwa: "Was mir als Spitze gegenübersteht, geht durch solche Übung in mich ein und stärkt das Spitzige in mir (ein Ergebnis, das doch gewiß nicht gewünscht ist)." Konzentration Meditation Kontemplation, a.a.O., S. 33.
Friso Melzer war ein hochbegabter und faszinierender Mann, der besonders in der Schweiz viele entscheidende Leute u.a. durch Bildmeditation zu einer ökumenisch mystischen bis charismatischen Frömmigkeit „inspirierte“. Seine Techniken zielten viel eher in Richtung Gegenreformation, man denke nur an die empfohlenen Exerzitien eines Ignatius von Loyola, denn Reformation.
Sogar Helmut Gollwitzer (602) scheint in dieser kunterbunten Liste von Kurzbiographien auf. Als Zeitzeuge weiß ich noch, wie er bei der Beerdigung von Rudi Dutschke sagte: „Gott hat es gut mit dir gemeint!“
Vielleicht bin ich schon zu alt, aber wie man so etwas von diesem 68er-Chaoten an seinem Lebensende sagen kann und sich dabei als Pfarrer und Christ versteht, bekomme ich nun doch nicht auf die Reihe. Georg Huntemann nannte die 68er-Revolte den Aufstand der Schamlosen. Der Abschaum der Menschheit trat den langen Marsch durch die Institutionen an. Dass man laut Jesus „an der Frucht den Baum erkennt“, scheint in unserer Zeit der postmodernen Weite kaum von Bedeutung zu sein. Man fragt sich, wie weit die Vernebelung in unseren Tagen und Reihen bereits fortgeschritten ist.
Was würden wir sagen, wenn ein Pfarrer am Grabe von Roland Freisler erklärt hätte: „Gott hat es gut mit dir gemeint!“? Allerdings passt Gollwitzer immer besser zu einer Christenheit, die vielleicht noch pietistisch betet, aber marxistisch, auf jeden Fall humanistisch denkt.
Ähnlich absurd ist für mich die Erwähnung von Mutter Teresa (S. 610). Sie lehnte das Evangelium ab und bestand darauf, dass jeder nach seiner eigenen „Fasson“ selig werden soll.
Mutter Teresa schrieb, „wir versuchten nie, jene, die Hilfe [von Missionaries of Charity] erhielten, zum Christentum zu bekehren, sondern wir geben in unseren Werken Zeugnis für die Liebe von Gottes Gegenwart, und wenn Katholiken, Protestanten, Buddhisten oder Agnostiker deswegen bessere Menschen werden – einfach besser – sind wir zufrieden“ Mother Teresa, Life in the Spirit: Reflections, Meditations and Prayers, pp 81-82.
Mutter Teresas Einsatz für die Armen in Kalkutta und vielen anderen Orten verdient unsere Achtung
und unseren Respekt. Doch sie war völlig in die katholischen Irrlehren und dementsprechenden Aberglauben verstrickt. Die konservativ-katholische Südtiroler Tageszeitung „Dolomiten“ zitierte noch 1998 mit Stolz Mutter Teresa: „Ich habe mit Jesus einen Vertrag abgeschlossen, daß er für jede Fotografie, die man von mir macht, eine Seele aus dem Fegefeuer in den Himmel holen muß. Er war damit einverstanden.“ Mit dieser Art „Evangelium“ allerdings haben die Hindus tatsächlich wenig Probleme.
Was jemand mit solch erzkatholischen Überzeugungen in einem Buch zum Thema Reformation zu suchen hat, bleibt das Geheimnis der neo-evangelikalen Herausgeber bzw. Autoren.
Ähnlich sonderbar ist für mich die Erwähnung des Trappistenmönchs Thomas Merton (S. 634). Er war eigentlich mehr Buddhist als Christ. Nun wird sogar in diesem Werk erwähnt, dass er sich „um den Dialog von Christentum und östlichen religiösen Traditionen bemühte“ (S. 635).
Vor allem die katholischen Wüstenväter hatten Merton fasziniert. Er war einer der ersten katholischen Mönche in den USA, die den Zen Buddhismus sowie andere kontemplative Methoden und Philosophien des Ostens studierten und eine Verbindung zu den katholischen Wüstenvätern herstellten, die seit dem Ende des dritten nachchristlichen Jahrhunderts gewirkt hatten. Merton machte Aussagen wie „Ich sehe keinen Unterschied zwischen dem Buddhismus und dem Christentum… Ich will ein so guter Buddhist wie möglich werden.“ David Steindl-Rast, "Recollection of Thomas Merton's Last Days in the West", Monastic Studies, 7:10, 1969.
Ein New Age Gelehrter, der Merton bewundert, sagte: „Der Gott, den er [Merton] im Gebet erkannte, ist der gleiche Gott, den Buddhisten in ihrer Erleuchtung erfahren.“ Brian C. Taylor, Setting the Gospel Free, New York, NY: Continuum Publishing, 1996, p. 76.
Wiederum stellt sich die Frage, was ein vom Buddhismus mystisch erleuchteter Mönch in einem Buch zum Thema Reformation zu suchen hat? Was würden wir dazu sagen, wenn der SPD-Vorsitzende in die Galerie großer Sozialdemokraten Franz Josef Strauß einfügte?
Thomas Merton ist allerdings in gewisser Hinsicht nicht zu trennen von Henri Nouwen (S. 706),
der zwar in der Auflistung des besprochenen Buches später folgt, doch wegen der Geistesverwandtschaft hier nachfolgend erwähnt wird. Nouwen war ein katholischer Mystiker des 20. Jahrhunderts, der auch fernöstliche Meditation bejahte und überzeugt war, dass Menschen auch ohne Glauben an Jesus Christus gerettet würden.
Nouwen verfasste ein Buch über seinen großen Mentor mit dem Titel Thomas Merton: Contemplative Critic. Darin erwähnt er die „neue Sicht“, zu der ihm Merton verholfen hat und erläutert, dass Merton und sein Werk „einen derartigen Einfluss“ auf sein Leben hatte, dass er die Person war, die ihn am meisten inspirierte.Henri J.M. Nouwen, Thomas Merton: Contemplative Critic, San Francisco, CA: Harper & Row Publishers, 1991, Triumph Books Edition, p. 3.
Nicht zuletzt durch den Einfluss von von Thomas Merton kommt Henri Nouwen zu der Erkenntnis:
„Der Gott, der in unserem inneren Heiligtum wohnt, ist derselbe, der im inneren Heiligtum eines jeden Menschen wohnt.“ Henri Nouwen, Here and Now - Living in the Spirit, Crossroad Publishing Co., S.22 „Heute glaube ich, obwohl Jesus kam, um die Tür zu Gottes Haus zu öffnen, dass alle Menschen durch diese Tür gehen können, ob sie Jesus kennen oder nicht. Heute sehe ich es als meine Berufung, jeder Person zu helfen, ihren eigenen Weg zu Gott in Anspruch zu nehmen.“ Henri Nouwen, Sabbatical Journey, 1998, S.51.
Man kann es immer wieder beobachten: Mystizismus neutralisiert die Unterschiede in der Lehre, indem man die Wahrheit der Schrift auf dem Altar mystischer Erfahrungen opfert. Mystizismus bietet eine gemeinsame Grundlage, und angeblich ist die Göttlichkeit in allem das verbindende Element. Im Prinzip ein verschieden stark gefärbter Pantheismus.
Nouwen erläutert nun, dass Merton von dem LSD-abhängigen Autor Aldous Huxley beeinflusst wurde, der „ihn auf eine höhere Erkenntnisebene“ brachte und „einer von Mertons Lieblings-autoren“ war. Henri J.M. Nouwen, Thomas Merton: Contemplative Critic, San Francisco, CA: Harper & Row Publishers, 1991, Triumph Books Edition, p. 19-20.
Huxleys Buch, Ends and Means, brachte Merton zum ersten Mal „in Kontakt mit dem Mystizismus.“ Ibid., p. 20. Merton schreibt: „Er [Huxley] war sehr belesen und hatte eine tiefe und scharfsinnige Einsicht in alle Arten christlicher und orientalischer Literatur über Mystik, und er kam zu der erstaunlichen Einsicht, dass all dies weit davon entfernt war, lediglich Träumerei oder Magie oder Scharlatanerie zu sein, sondern es war sehr real und sehr aufschlussreich.“ibid.
Aldous Huxley gilt auch als Vater der Droge, besonders für die studentische Welt, durch sein Essay „The Doors of Perception“ (Die Pforten der Wahrnehmung). Er beschreibt in diesem 1954 erschienenen Werk die Auswirkungen von halluzinogenen Drogen wie LSD und Meskalin auf das menschliche Bewusstsein und öffnete sich intensiv für die Mystik.
Der Mann, der Aldous Huxley mit der Droge in Verbindung brachte, war Aleister Crowley, der als der größte Satansmagier des 20. Jahrhunderts gilt. Huxley wurde 1929 von ihm in den „Isis-Urania Temple of Hermetic Students of the Golden Dawn“ eingeführt. Kurz vor seinem Tod ließ sich Aldous Huxley von seiner zweiten Ehefrau Laura 100 Mikrogramm LSD verabreichen. Er wollte auf einem Trip sterben. Seine Frau las ihm dabei aus dem Tibetanischen Totenbuch vor.
Man kann es tatsächlich beobachten, was sich in unseren Tagen ausbreitet! Droge, Magie, Okkultismus und Perversion auf der einen, Mystik und zunehmende „Erleuchtungen“, Prophezeiungen und schwärmerische „Erweckungen“ auf der andern Seite.
Henri Nouwen hatte bis an sein Lebensende mit Depressionen zu kämpfen und er war einer der ersten katholischen Priester, der homosexuelle Empfindungen verteidigte. Der Biograph Michael Ford kommt zu dem Schluss, dass der Priester Nouwen auch klinischer Psychologe war und „Carl Jungs Sicht verstand, dass homosexuelle Menschen oft voller religiöser Gefühle waren, was eine Spiritualität schuf, die sie für Offenbarung sensibel machte.“ Michael Ford, Wounded Prophet - A Portrait of Henri J. M. Nouwen, Dartman, Longman and Todd, London, 1999, S.226.
Auch der Versuch, seine homosexuellen Gefühle und Neigungen mit Hilfe der Versenkung in eine Ikone "für Christus zu heiligen", konnten ihn nie ganz von seinen Neigungen befreien.Michael Ford, Wounded Prophet - A Portrait of Henri J. M. Nouwen, Dartman, Longman and Todd, London, 1999, S.154
Maria nimmt für Nouwens geistliches Leben eine besondere Stelle ein. Der populäre
Benediktinerpater Anselm Grün schreibt im Vorwort zu Nouwens Buch Unser heiliges Zentrum finden über dessen Verhältnis zu Maria: "Für Henri Nouwen ist Maria Begleiterin auf dem Weg zum inneren Zentrum, zum inneren Ort der Stille und des Schweigens, zum Ort, in dem Jesus wohnt, zum Ort, in dem Gott in uns geboren wird.“ Henri J. M. Nouwen, Unser Heiliges Zentrum finden, Vier-Türme-Verlag, Münsterschwarzbach, 2008, S. 8-9, 11.
Henri Nouwen, der eine "natürliche Affinität zur Spiritualität und Kultur der Russisch-Orthodoxen Kirche" Michael Ford, Wounded Prophet - A Portrait of Henri J. M. Nouwen, Dartman, Longman and Todd, London, 1999, S.21 hatte, war in Bezug auf die Evangelikalen der Ansicht, dass es ihnen an der "mystischen Dimension des spirituellen Lebens fehlte, obgleich sie eifrig, hingegeben und Wort-zentriert waren." (Ebd. S. 47) In der Spiritualität Nouwens spielten Ikonen eine besondere Rolle: "Ikonen schufen für ihn einen Einblick in den Himmel. Wie die westliche Spiritualität durch den Heiligen Benedikt das Hören betonte, stellte die östliche Spiritualität durch die byzantinischen Väter das Betrachten in den Mittelpunkt: das Anschauen dieser heiligen Bilder eines ewigen Geheimnisses mit ganzer Aufmerksamkeit."(Ebd. S. 158)
In einem Rundbrief der Jesus-Bruderschaft Gnadenthal heißt es unter der Überschrift „Ikonen-Malen“: „Wer die Ikone schaut, schaut in ihr Christus.“ Kommunität Gnadenthal „Haus der Stille“ Jahresplan 1991 Das ist natürlich ein anderer Christus, als der des Wortes. Die Bibel kennt nicht zufällig das Bilderverbot.
Es erinnert an eine Aussage Luthers: „Denn wo man das Wort fallen läßt und außer dem Wort nach Christus tappet, so ergreift man den Teufel.“ Luther zur Marienverehrung, aus Signal Nr. 139, S. 10.
Henri Nouwen ist vielleicht der einflussreichste katholische Priester überhaupt, auch im evangelikalen Raum. Deswegen habe ich hier ausführlicher einige Zitate zusammengestellt.
Im Jahre 1994 erreichte die Popularität Nouwens unter Protestanten offenkundig einen Höhepunkt. "In einer Umfrage einer Zeitschrift in Vancouver wurden 3400 protestantische Führer befragt, wer sie am meisten beeinflusst hatte. Die Umfrage ergab, dass Nouwen Platz 2 einnahm, Lyle Schaller, ein Spezialist für Gemeindewachstum war auf Platz 1, und Billy Graham kam auf Platz 3."Deirdre LaNoue, The Spiritual Legacy of Henry Nouwen, Continuum, New York/London, 2001, S.49.
Dementsprechend sieht die evangelikale Welt aus und dieser Geist der katholischen Mystik schwappt nun auch immer mehr in unsere eigenen Reihen.
Zu Recht fragt George Walter: Warum also sollte man einem Mann und seinen kontemplativen Lehren folgen, der bis an sein Lebensende keinen Frieden fand, weil er Frieden suchte, wo wahrer Friede nicht zu finden ist? Warum sollte man den Werken eines Mannes Vertrauen schenken, der vom Geist des Katholizismus beseelt war und das biblische mit dem psychologischen Menschen- und Weltbild vermischte und verwässerte? Warum sollte man sich für einen Autor begeistern, der Befreiungstheologie, Universalismus und Marienkult befürwortet? Dass Nouwen auch hie und da gute Gedanken zum Ausdruck brachte, die auch ein Evangelikaler bejahen kann, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Nouwens Gesamtwerk dennoch mit nahezu allen zentralen Lehren des traditionellen Evangelikalismus unvereinbar ist. http://distomos.blogspot.de/2012/11/henri-j-m-nouwen.html
Doch besonders die Zeitschrift Aufatmen, eine Art Flaggschiff der modernen mystisch-ökumenisch- charismatischen Spiritualität, hat uns diesen ruhe- und friedlosen Menschen als eine Art Vorbild hingestellt. Für viele Evangelikale ist Henri Nouwen wie eine Ikone geworden und ihn zu zitieren scheint besonders progressiv. Doch der Mensch braucht, wie Vishal Mangalwadi angesichts der indischen Spiritualität betont, nicht Erleuchtung sondern Vergebung. Dementsprechend werden in den Sendschreiben nicht etwa mehr Spiritualität, Sakramente, Geistestaufe, Charismen oder Stilleübungen angeboten, sondern zur Buße aufgerufen. Doch dies ist im Zeitalter der
Selbstverwirklichung nicht so gefragt.
Auf Seite 642 wird der Gründer von Taizé Frère Roger Schutz vorgestellt. Es handelt sich um einen zutiefst gegenreformatorischen Orden. Auf die Frage, warum er (Schutz) nicht gleich nach Rom überwechselt, war seine Antwort: „Ich würde jetzt zu wenig Schafe mitnehmen.“
Wie alle Mystiker war für ihn nicht das Wort entscheidend, was eigentlich das Wesen der Reformation ausmachte, sondern das Versenken in jene Stille, wo wir angeblich Gott begegnen.
»Um nicht in der Trockenheit des Schweigens stehenzubleiben, sollten wir sehen, daß das Schweigen Wege zu unbekannten schöpferischen Möglichkeiten eröffnet. In der weiten Tiefenschicht der menschlichen Person, im Unterbewußtsein, betet Christus weit mehr, als wir es uns vorstellen können. Verglichen mit der Unermeßlichkeit dieses verborgenen Betens Christi in uns, ist unser artikuliertes Gebet nur ein kleiner Teil. Das Wesentliche des Gebets vollzieht sich vor allem in einem großen Schweigen.« Jakob Hitz, „Entspricht Taizé dem Evangelium?“, Schwengeler-Verlag, 1978, S. 28-29.
Gerade weil in diesen Tagen die Reformation im Mittelpunkt steht, sollte man sich vielleicht ein ziemlich deutliches Lutherwort in Erinnerung rufen, das er in der Konfrontation mit den mystischen Schwärmern mit der ihm eigenen deftigen Weise formulierte: „Deshalb mahne ich euch vor solchen verderblichen Geistern, die sagen, ein Mensch empfängt den Heiligen Geist durch stilles Sitzen in der Ecke, auf der Hut zu sein. Hunderttausend Teufel wird er empfangen und nicht zu Gott kommen.“ What Luther says, Ed. E. Plass Vol. 3, p.1462.
Als typischer Mystiker erklärte er bei dem Taizé-Treffen in Stuttgart öffentlich: In jedem menschlichen Wesen wohnt der Heilige Geist. idea spektrum Nr. 5/97, S. 4 Dies hat mit New Age sehr viel, mit dem biblischen Menschenbild sehr wenig zu tun.
Auch hier kann man nur sagen: „Sieh zu, dass das Licht in dir nicht Finsternis ist“ (Luk. 11,35).
Man wird an die Feststellung Georg Huntemanns erinnert „Diese Generation kann einen nüchternen Glaubenswandel nicht mehr ertragen. Sie braucht eine religiöse Sinnlichkeit bzw. sinnliche Religiosität“. Gerade dies wird ihr heute überreichlich angeboten.
In einer idea-Meldung vom 2. Jan.1985 war zu lesen: Schutz kündigte für den 2. Juli dieses Jahres eine Zusammenkunft mit dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, Pérez de Cuéllar, an, bei der er einen Aufruf zu weltweiter Abrüstung und zur Einsetzung einer Weltautorität überreichen will. So eine Weltautorität wird es tatsächlich einmal geben, allerdings nicht von oben, sondern von unten.
Es wird in unseren Tagen immer offensichtlicher, wie durch charismatische, eigentlich mystische Erfahrungen, katholische Frömmigkeit - besonders in Kommunitäten sich zunehmender Sympathie erfreut - immer beliebter wird. Die mystische Sakramentslehre des Katholizismus geht völlig parallel mit den charismatischen Erlebnissen. »Die Erfahrung zeigt, dass viele Christen aufgrund ihrer charismatischen Erfahrung eine tiefere Beziehung zu den Sakramenten, vor allem zur Eucharistie, gewinnen.« »Erneuerung in Kirche und Gesellschaft«, Verlag Erneuerung, Heft 10, 1981, S. 9.
Auf Seite 674 stößt man auf Paul Toaspern. Er war Leiter der Geistlichen Gemeinde-Erneuerung in der evangelischen Kirche der DDR. Ich erinnere mich noch gut, wie die Brüder in der damaligen DDR über seine Verbreitung charismatischer Sonderlehren klagten. Wie es in diesem Buch heißt: „Nach einer tief prägenden geistlichen Erfahrung in Ungarn öffnete er sich ganz dem Wirken des Heiligen Geistes“ (S. 675).
Was war geschehen? So berichtet er mit eigenen Worten über den Empfang von Botschaften nach einer Handauflegung durch Steve Lightle: »Nach einer Gewitternacht wurde ich … wach und fühlte es wie einen Befehl, etwas aufzuschreiben. Das Niederschreiben, bei dem mir kein Reflektieren oder Untermischen eigener Gedanken erlaubt war, geschah in einer drängenden Eile, in etwa zwölf bis vierzehn Minuten … Gegen den Inhalt eines der Abschnitte und gegen einen Begriff wollte ich mich sträuben, aber ich hatte nur aufzuschreiben und wusste genau, was zu schreiben war. Das war eine Erfahrung, die ich bisher nicht kannte. Nach Niederschrift des letzten Satzes war dann plötzlich der Strom wie abgeschaltet. Am Abend haben dann meine Frau und ich das in der großen Eile niedergeschriebene fast eineinhalb Stunden lang entziffert und in Reinschrift geschrieben. ...". Und dann beginnt es: "So spricht der Herr: Ich bin der Herr, der lebendige, heilige, ewige Gott, der dich, mein Volk, liebt mit unverbrüchlicher Treue, ...".« Paul Toaspern, Rundbrief vom 10. April 1976, S. 1.
Das sind wiederum die klassischen Symptome des automatischen Schreibens, wie man es im Spiritismus und der Künstlerwelt zur Genüge kennt, abgesehen davon, dass die Formulierung “So spricht der Herr“ dem NT fremd ist. Steve Lightle von den Geschäftsleuten des vollen Evangeliums, heute „Christen im Beruf“, wurde besonders durch seine Prophezeiungen über den angeblichen Exodus der Juden aus Russland über Finnland und Deutschland bekannt. Prophezeiungen, die sich so nicht erfüllt haben.
Das war leider nicht das Wirken des heiligen, sondern eines verführerischen Geistes. Toasperns sogenannte Geistestaufe war leider eine Geistertaufe.
Durch das Buch von David Wilkerson (S. 702) Das Kreuz und die Messerhelden wurde ich selber am meisten betrogen und öffnete mich durch diesen Bestseller der pfingstlichen Lehre der Geistestaufe. Doch Wilkerson wurde mir je länger je mehr sympathisch, trotz mancher Prophezeiungen aus seinem Munde, die sich nicht erfüllt haben. Er trat mutig gegen die Verweltlichung seiner charismatischen Freunde auf und nannte besonders bei dem Wohlstandsevangelium Ross und Reiter, sehr zum Ärgernis mancher „Gesalbten des Herrn“.
Gegen Ende seines Wirkens duldete er in seiner Times Square Church in New York kein öffentliches Zungenreden mehr, wie mir Dave Hunt erzählte. Seine Begründung, „it is always so disruptive!“ (es ist immer so störend). In manchen Bereichen fand ich sein Verhalten vorbildlich, besonders seine seelsorgerliche Anteilnahme. Im Prinzip hatte er sich je länger je mehr von dem distanziert, womit man heute in manchen Kreisen die Gemeinden erneuern möchte.
Leider wird gegen Ende des Buches sogar noch John Wimber (S. 718) als vollmächtiges Werkzeug, dessen Dienst Zeichen und Wunder begleitete, vorgestellt. Dabei könnte man Bücher, wie Dave Hunt sagte, mit seinen falschen Prophezeiungen füllen. TBC, März 1997 Er ist eine Art Paradebeispiel für Falschprophetie. Wenn man ihn schon erwähnt, dann als Kronzeuge für Pseudopropheten wie ein Montanus, Nikolaus Storch oder Edward Irving.
Keith Parker zählte sich vor Jahren zum charismatischen Lager. Er musste resigniert feststellen: "Auf der Rückseite von John Wimbers Magazin war eine Erklärung abgedruckt, die besagte, daß während einer bestimmten Zeit in England eine Erweckung ausbrechen würde, während sein Team in London arbeitete. Der Termin kam und ging. Es gab keine Erweckung. Anstatt zu bekennen, er habe das Volk Gottes verführt, leugnete er, daß diese Voraussage gemacht worden war oder daß wir falsch verstanden hätten, was dort geschrieben war. Danach gewann ich den Eindruck, daß Wimber und die 'Propheten' sich selbst disqualifiziert hatten; und ich fühlte mich berechtigt, alles zu ignorieren, was aus dieser Quelle kam." Keith Parker, "Prophets - True or False? Signs and Wonders - Real or Bogus?", Stellungnahme vom 22. Juli 1994, S. 2.
Er hatte die typischen Phänomene der Geistheiler, aber eben nun in frommer Verpackung. Dazu gehört das Empfinden von Wärme, gewöhnlich im Zusammenhang mit körperlichen Berührungen. So schreibt seine Frau Carol über das Kommen des angeblichen Heiligen Geistes:
»Aber ich wußte, daß Gott zu uns gekommen war. Ich war sehr glücklich, denn ich hatte so lange um Gottes Kraft gebetet. Ich hatte es mir etwas anders vorgestellt, aber Gott gab uns seine Kraft eben auf diese Weise. Ich stand auf, ging umher und hielt meine Hände in die Nähe der Menschen, die auf der Erde lagen. Ich konnte die Kraft spüren, die von ihren Körpern ausging, es war so etwas wie Hitze oder Elektrizität.« John Wimber/Kevin Springer, „Die Dritte Welle des Heiligen Geistes“, Projektion J Verlag 1988, S. 42.
Der Entwickler des Alpha-Kurses beschreibt, wie John Wimber für ihn betete: „Nicky Gumbel, Vikar in einer anglikanischen Kirche in England, wurde von John Wimber in diesen neuen ‚Aufbruch des Heiligen Geistes’ gezogen. Gumbel bezeugt, er habe ‚etwas wie 10.000 Volt’ elektrische Spannung durch seinen Körper strömen gefühlt, als Wimber für ihn betete.“ ‚More Power‘ (mehr Kraft) war das einzige, worum gebetet wurde.“ Dave Hunt, „Die okkulte Invasion“, CLV, S. 14.
Von daher überrascht es nicht, wenn im Alpha-Kurs selber nachzulesen ist: "Personen aus der New
Age-Bewegung dagegen stellen fest ..., dass sie bei dem gemeinsamen Wochenende bekanntes Territorium betreten, wenn es darum geht, vom Heiligen Geist erfüllt zu werden.“ Alpha-Leitfaden: Starthilfe für Alpha-Kurse, Erfahrungsberichte und Tipps, Projektion J, 1997, S. 31.
Zu Wimbers fragwürdigen Lehren bzw. Praktiken listet Dr. John D. Hannah u.a. auf: Er betet über Objekten, daß sie "geheilt" (übernatürlich repariert) werden, z.B. Kühlschränken, Autos, Waschmaschinen etc. … Auch ruft John Wimber den Heiligen Geist, um auf besondere Leute in einer Versammlung herabzukommen. Dr. John D. Hannah, "The Signs and Wonders Movement, The Vineyard Movement or The Third Wave", Lesson 30, S. 14.
Wimber wurde bekannt durch seine medialen Steuerungen, angebliche Worte der Erkenntnis, und erhielt Eindrücke und auch Bilder über Personen, die in sexuellen Sünden verstrickt waren. »Manchmal bekomme ich Schmerzen in verschiedenen Teilen meines Körpers. Das zeigt mir an, welche Krankheiten Gott bei anderen heilen will.«John Wimber/Kevin Springer, ibid, S. 69.
Auch das sind die bald klassischen Phänomene der Geistheiler. Ich erinnere mich noch gut, wie mir der damalige Allianzvorsitzende Dr. Fritz Laubach von solch einer Heilungsveranstaltung mit John Wimber berichtete, die er besuchte. Die Art und Weise, wie Wimber seine inneren Bilder, Eingebungen und Impulse schilderte, empfand er als ungeistlich und abstoßend.
Typisch für die falschen Propheten ist das Fallen auf den Rücken (Jes. 28,13).Ich sagte zu Carol: ›Ich denke, etwas geschieht mit uns‹, und kaum hatte ich das gesagt, sauste ich schon zu Boden! … Ein Mädchen fiel so hart, ich dachte: O nein, sie stirbt ja! Sie schlug mit ihrem Kopf auf den Stuhl, Tisch und Boden auf. Bam! Bam! Bam! … Dann brauchten wir eben Auffänger.« John Wimber, Vortrag in Yorba Linda 1980 über seine Arbeit, Kassettenaufnahme.
Doch in einem postfaktischen Zeitalter zählt das äußere Erscheinungsbild, und sein großer Charme übertünchte mögliche Bedenken bezüglich merkwürdiger Phänomene. Als Zeitzeuge weiß ich noch genau, wie die damalige pfingstliche und charismatische Welt ihm zu Füßen lag. Eine Art Vorzeigeikone für „vollmächtiges“ Wirken. Es ist für mich nur ein weiterer Beweis, wie diese Strömungen in Erfüllung von Matth. 24,11 von einem Irrgeist verschieden stark gesteuert werden.
Muss man in dieser Galerie angeblich reformatorischer Gestalten auch noch Larry Norman (S. 734), den “Vater der christlichen Rockmusik“ auflisten? Der Mann, der etliche außereheliche Affären hatte, darunter mit der Frau seines besten Freundes und sich bis zu seinem Lebensende weigerte, die Vaterschaft eines Kindes einer australischen Ex-Verlobten anzuerkennen? Wahrlich kein Ruhmesblatt. Über diese dunkle und erschütternde Seite Normans ist sogar ein Film “Fallen Angel” gedreht worden. Darüber sollte man lieber den Mantel des Schweigens breiten, als ihn in so einem Buch mit derartig anspruchsvollem Titel zu erwähnen. Noch dazu wird im Vorwort (S. 5) Hebr. 13,7 Schaut euch ihr Lebensende an! zitiert. Wie ist so eine Zusammenstellung möglich?
Doch im Zeitalter des zunehmenden Pluralismus scheint es kaum noch Abgrenzungen zu geben.
Bei Herausgeber Roland Werner - Johannes Nehlsen ist mir kein Begriff - bin ich natürlich über einige solcher Verwechslungen bzw. Verwirrung der Geister nicht überrascht. Roland Werner ist ein brillanter und sympathischer Bruder, der die Nachfolge Christi zweifellos ernst meint. Als Charismatiker jedoch beurteilte er den Toronto-Segen zu Beginn positiv. Als damaliger Christival-Vorsitzender kommentierte er nach seinem Besuch der Londoner anglikanischen Gemeinde "Holy Trinity Brompton" (wo dieser "Segen" besonders um sich griff): "Diese Sache ist echt, da ist wirklich etwas aufgebrochen, es ist aufregend!" dran, Nr. 7/94Noch euphorischer kommentierte Ulrich Eggers in derselben Nummer diesen Aufbruch: "Über eine Viertelmillion Menschen sind bisher zu den Treffen in der Toronto Vineyard oder in Baptistengemeinden der Umgebung gekommen, um an diesem besonderen Segen teilzuhaben. Das Schöne daran ist, daß dies alles wirklich übergemeindlich ist, es geht weit über die Grenzen von Denominationen hinaus, hat alles erfaßt. Eine Erneuerung der Hingabe und Berufung, eine Erweiterung der geistlichen Vision und neuentflammte Leidenschaft für Jesus und das Reich Gottes ist zu sehen."
Wer besagten Toronto-Segen so kommentiert mag zwar gute Absichten haben, ist aber diakritisch
meiner Meinung nach leider doch eher leichtgläubig. Elke Werner praktiziert das hörende Gebet und behauptet sogar, dass sie über die Jahre nun gelernt hat, Gottes Stimme zu erkennen und sie könnte sie aus dem allgemeinen Stimmengewirr so deutlich erkennen wie die Stimme ihres Mannes. Klaus-Günther Pache u. Elke Werner, Stille: 40 Tage Gott erleben, Bemerkung in einem FEG-Hauskreis bei Betrachtung ihres Buches.
Was man bei Charismatikern immer wieder beobachten kann: Es sind oft ganz liebe Menschen, ihr Einsatz nicht selten vorbildlich, allerdings wenn diesen „Gabenträgern“ etwas mangelt, dann ist es die Gabe der Geisterunterscheidung. Anstatt in unseren Tagen besonders wachsam zu sein, sind sie besonders gutgläubig und nehmen oft die bizarrsten Wundergeschichten, Totenauferweckungen ect. für bare Münze. Inzwischen gibt es eine ganze Nahtodindustrie und Bücher über Jenseitserlebnisse sind Bestseller, auch wenn alles nur erfunden ist oder ganz offen der Bibel widerspricht.
Es offenbart sich das Szenario, das Paulus in 2. Kor. 6,14 - 7,1 skizziert. Eine Generation wächst heran, die an Fleisch und Geist (Kap. 7,1) besudelt ist. Stichwort, Frühsexualisierung, nun sogar von staatlichen Stellen bis in die Grundschulen hinein. Wer hat heute keine Pornofilme gesehen? Gleichzeitig eine Explosion okkulter und magischer Praktiken bzw. Esoterisierung der Gesellschaft, wie es eine weltliche Zeitschrift nannte. Derartig geprägt hat man immer weniger Probleme, Christus und Belial, Gläubige und Ungläubige, Licht und Finsternis zu vermischen (Kap. 6,14 - 15). Besonders die nun so aktuelle Mystik macht es möglich. Insofern entspricht diese Auflistung von Gesichtern und Gestalten vielmehr dem Zeitgeist als dem heiligen Geist der Absonderung (Kap. 6,17). Berührungsängste sind dieser Generation ziemlich fremd geworden.
Dieses Buch spiegelt allerdings zutreffend den Zustand der derzeitigen sogenannten evangelikalen Welt, die längst immer mehr ökumenisch mystisch denn evangelikal im ursprünglichen Sinne ist. Es passt in eine Zeit, wo das Andachtsbuch der Sarah Young, in dem ein über Channeling kontaktierter „Jesus“ sich in direkter Rede meldet, seit Jahren auf der Bestsellerliste der modernen Evangelikalen zu finden ist. Innerhalb der deutschen Evangelikalen ist Anselm Grün der meistgelesene Autor, ein katholischer Mystiker, der über das Kreuz unserer Erlösung spottet. In manchen Köpfen schwirrt noch immer die Idee herum, dass Gott seinen Sohn sterben lässt, um unsere Sünden zu vergeben. Doch was ist das für ein Gott, der den Tod seines Sohnes nötig hat, um uns vergeben zu können? „Erlösung“, Kreuz-Verlag 2004, S. 7.
Doch die Reformation begann nicht damit, dass ein Mann ins Kloster ging, wie die heutige mystische Frömmigkeit immer wieder nahelegt, sondern dadurch, dass ein Mann aus dem Kloster austrat und all diesen subjektiven Erlebnissen die Autorität des Wortes Gottes entgegenhielt: »Die Schrift allein.«
Man kann abschließend Jung Stilling, der auch in dem hier besprochenen Buch aufgelistet ist (S. 152), in diesem diakritischen Chaos besagten Werkes zitieren: Mir sind viele männliche und weibliche Personen bekannt geworden, die auch solche Zuckungen bekamen, dann in eine Entzückung gerieten und so die herrlichsten und heiligsten Bibelwahrheiten auf die schönste und heiligste Weise aussprechen, sogar künftige Dinge voraussagten, die pünktlich eintrafen. Aber allmählich und am Ende ging es kläglich und oft schändlich aus, und nun zeigte es sich, daß sich ein falscher Geist in einen Engel des Lichts verstellt hatte... Nichts in der Welt ist gefährlicher als Inspiration, sie ist eine offene Tür für falsche Geister. Die Bibel, die Bibel ist unser einziger Leitstern, der uns zu Jesus Christus führt. Er sei und bleibe uns alles in allem.« »Die Gnade bricht durch«, Jakob Schmitt, Brunnen-Verlag, Seite 121-122.
Nach alldem, was in diesem Buch empfohlen wird, wäre ein anderer Titel womöglich zutreffender:
Gesichter und Geschichten der Reformation und der mystischen ökumenischen Gegenreformation
Alexander Seibel