(28. Okt. bis 23. Nov. 2011)
Manipur ist ein in malerischer Landschaft gelegener und von grünen Hügeln umgebener
Bundesstaat Indiens.
Hier nennen sich auch viele Menschen
Christen. Es war durch die Pionierarbeit von
Missionaren um die Wende vom 19. zum 20.
Jahrhundert, die bewirkte, dass sich ganze
Stämme bekehrten und das Evangelium
annahmen.
Besonders Nagaland gilt bis heute als offiziell
christlich mit bis zu 90% Baptisten. Die Nagas
waren früher gefürchtete Kopfjäger, doch die
Macht des Evangeliums veränderte sie völlig.
Im Englischen sagt man, "they turned from headhunters to soulhunters" - von Kopfjägern zu
Seelenfängern also. Der Pioniermissionar von Manipur war William Pettigrew. Er kam 1895 in
diesen Teil Indiens. 1901 gründete er die erste Gemeinde in Ukhrul, in der Nähe von Manipurs
Hauptstadt Imphal.
Edwin Clark war Pioniermissionar für das Nagaland. Unglaublich, was sich da gegen Ende des 19.
und anfangs de 20 Jahrhunderts getan hat. Als besonders gefürchtet galt der Stamm der Hmar in
Manipur. Noch 1871 enthaupteten diese Stammesleute mehr als 500 britische Soldaten. Sie waren
der Schrecken der Bergvölker in jenem Raum Indiens, der an China und Myanmar grenzt.
Als einer der ersten Bekehrten aus diesem Stamm, Rochunga, bei einem interreligiösen Treffen
Jahrzehnte später in Delhi Zeugnis von Jesus gab, entstand zunächst unter den anwesenden Hindus
und Moslems Unruhe.
Doch dann berichtete Rochunga: "Die Angehörigen meines Stammes sind fast alles Christen, und
zwar ohne die Hilfe weißer Missionare. In früheren Zeiten schlug mein Volk seinen Feinden die
Köpfe ab. Heute beten wir für unsere Feinde. In früheren Zeiten machten wir aus Schwächlingen
Sklaven. Jetzt helfen wir den Schwachen, damit sie stark werden. Und die Frage des Selbstmords in
früheren Zeiten? In meinem Stamm nahmen sich viele, sehr viele das Leben. Heute geschieht das
kaum noch. Diese Veränderungen entstanden nicht durch die Kolonisation, auch nicht durch
Peitschen und Gewehre, sondern durch ein Buch!" Rochunga gewann die Debatte. Immer mehr
war er sich der Macht der Bibel bewusst. Ohne die Hilfe eines einzigen Missionars, ausgenommen
der fünftägige Aufenthalt von Watkin Roberts vor fast einem halben Jahrhundert, hatte sich die
Mehrheit der 100.000 Hmar von der Geisterverehrung zum christlichen Glauben bekehrt. (Mawii
Pudaite, "Das vergessene Volk", Hänssler-Verlag, 1989, S. 76).
So erfreulich dies alles ist bzw. war, so wenig erfreulich waren die Nachrichten aus Manipur in den
letzten Wochen und Monaten. Es kam zu Auseinandersetzungen zwischen den ethnischen Gruppen
der Nagas und der Kukis. Auch die Kukis gelten offiziell als Christen und waren in den Jahren 1830
bis 1840 aus Birma kommend eingewandert.
Die Kukis machen ca. 6% der Gesamtbevölkerung aus. Doch auf einmal beanspruchten sie den
sogenannten Sada Hills District als ein Territorium, das ihnen als eigener Verwaltungsdistrikt
zugesprochen werden sollte. Es gehört traditionell zu den Nagas, deren Bevölkerungsanteil in
Manipur bei 20% liegt. Dieser Distrikt nun schließt 117 Nagadörfer mit ein. Die Nagas waren
entschieden dagegen und dies führte schließlich zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. LKWs
gingen in Flammen auf, die beiden wichtigsten Zufahrtstraßen wurden blockiert. Diese Blockaden
existieren nun schon seit mehr als hundert Tagen.
Resultat: Die Preise für Lebensmittel,
Kraftstoffe, Elektrizität, alles schnellte in
die Höhe. Es herrscht eine Art Belagerungszustand
und die Regierung Manipurs bleibt
mehr oder weniger untätig. An den
Tankstellen bildeten sich schier endlose
Schlangen (siehe Bild rechts).
Auch auf der Bibelschule, auf der wir
untergebracht wurden, das sogenannte Chil
Chil Theological Seminary in Kanglatongbi,
in der Nähe der Hauptstadt Imphal, wurde
von diesen Blockaden einigermaßen
tangiert. Es ergaben sich gewisse Engpässe, die Stromversorgung war begrenzt. Projekte wurden
verzögert und Bauarbeiten bzw. Modernisierungen mussten zurückgestellt werden bzw. konnten
nicht zum geplanten Zeitpunkt zum Abschluss gebracht werden. So waren Frank und ich in Räumen
untergebracht, die noch nicht an die elektrische Leitung angeschlossen waren. Auch mit Duschen
sah es nicht allzu rosig aus. Statt eines erfrischenden Wasserstrahls aus der Brause gab es jeden
Morgen zwei Kübel mit heißem Wasser, die von fleißigen Händen gebracht wurden.
Dementsprechend konnte man dann die richtige Mischung "einstellen".
Es ist dies eine Bibelschule, die
gegenwärtig 210 Studenten ausbildet,
wobei noch eine offizielle Schule mit
1500 Schülern angeschlossen ist. Wir
verbrachten dort fast eine Woche und
man hatte mich in das Schulungsprogramm
eingeplant, wobei ich an einem
Tag gleich vier Unterrichtsstunden hatte.
Andere Tage waren nicht so ausgefüllt.
Das Ergebnis: Ich soll doch unbedingt für
die nächste größere Konferenz im
November 2012 wiederkommen. Es taten
sich etliche Türen auf und vor allem bestand der Wunsch bei vielen Studenten, in die biblische
Lehre vertieft zu werden. Nicht zuletzt auch deshalb, um die zunehmenden Irrströmungen unserer
Tage besser durchschauen zu können. Doch auch Frank wurde gebeten, in der Grundschule zu
unterrichten. Am Sonntag den 13. November hielt er sogar im Gottesdienst eine Predigt.
In manchem erlebten Frank und ich eine buchstäbliche Zeitverschiebung. Um fünf Uhr abends wird
es in diesem Teil der Erde sehr schnell dunkel. Spätestens um 22.00 Uhr war überall das Licht aus.
Der stromerzeugende Generator wurde abgestellt. Wecken um 5.00 Uhr, Frühstück um 6.00 Uhr
morgens. Mittagessen ab 10.00 Uhr – zunächst meinte ich, ich habe mich verhört - Abendessen ab
16.30 Uhr. Um diese Zeit trinke ich sonst meinen Nachmittagstee. Doch sowohl Frank wie ich
waren erstaunt darüber, wie schnell wir uns auf diese neue Situation eingestellt hatten.
Der Gottesdienst begann um 6.30 Uhr am Morgen. Man stelle sich vor, bei uns würde ein
Gottesdienst um diese Zeit angesetzt. Kein Mensch würde erscheinen. Als wir von unserer
Unterkunft zur Kirche gingen, dröhnte das vollbesetzte Gebäude bereits von christlichen Hymnen,
gesungen aus vollen Kehlen.
Peter Thiumai, Dekan und Missionsdirektor dieser Bibelschule, erzählte, wie in den 80er-Jahren die
Nagas evangelisierten, predigten und lehrten und insgesamt ca. 5000 Gemeinden gründeten. Dann
breitete sich die charismatische Bewegung aus, besonders unter dem Einfluss von Indiens
berühmtesten Heilungsevangelisten Dhinakaran. Was Oral Roberts für die USA war und
womöglich Bonnke für den südlichen Teil Afrikas, das bedeutete Dhinakaran für Indien. Mit den
Charismatikern kam die das Fleisch stimulierende Musik. Dhinakaran versprach Wohlstand, Erfolg
und vor allem Gesundheit und kollektierte riesige Summen von Geld durch Gebetspartner – einmal
sogar ca. 800.000 Dollar bei einer einzigen Sammlung-, weil angeblich desto größer dann der Segen
für den Geber fließe. Statt Gemeindegründung wurde nun zur Heilung aufgerufen, Anbetungs- und
Lobpreistänze ersetzten das Bibelstudium und die Seelenfänger wurden zu Erfolgspredigern.
Ekstase begann das Wort Gottes zu verdrängen und Menschen wurden im "Geist erschlagen".
Selbst die Trommel wurde wieder eingeführt. Das Heidentum durfte nun in christlicher Verpackung
zurückkehren.
Das geschah im Nagaland. Peter meinte, wenn wir nicht dagegen Stellung nehmen, wird sich Ähnliches auch in Manipur ereignen.
Da ich wegen dieses Berichtes etwas skeptisch war und nichts Falsches wiedergeben wollte, fragte
ich in dieser Sache mehrmals nach, auch andere Geschwister; doch es wurde mir bestätigt, dass es
sich so im Prinzip verhalten habe. Da kam mir dann doch wieder die Feststellung des ehemaligen
Allianzvorsitzenden Rolf Hille in den Sinn, Die charismatische Bewegung sei für ihn … "die
tragischste Bewegung in der Geschichte der Kirche" (ideaSpektrum 36/2009, S. 14).
Allerdings musste ich auch zur Kenntnis nehmen, wie es in theologisch konservativen Kreisen mit
eigentlich gesunder Lehre zu Trennungen kam, sehr oft aus persönlichen Gründen, wo Ehrgeiz,
Machtstreben und persönliche Eitelkeiten oft fromm versteckt mitredeten
Neben diesen traurigen Entwicklungen gibt
es andererseits in diesem riesigen Subkontinent
doch an verschiedenen Orten ein erfreuliches
Gemeindewachstum. So erzählte uns
ein Bischof, wie hauptsächlich im Bundesstaat
Andrah Pradesch in relativ kurzer Zeit
ihre Gemeinden stark gewachsen sind. In
erster Linie sind es Dalits, also die unterste
Kaste, die sich zu Jesus Christus bekehren.
Ein Mitarbeiter von IEM (Indian Evangelical
Mission) berichtete jedoch, wie in vielen
Gemeinden Bangalores die Bibel durch
Visionen und Prophezeiungen verdrängt
wird. Das sei angeblich das direkte Reden Gottes. Man beruft sich dabei auf die Prophetie von Joel.
Zunächst begleiteten wir Jim Starr, der ein besonderes Herz für Indien und die Millionen von
unerreichten Massen hat. Deswegen gründete er im Jahre 2000 ein eigenes Missionsprojekt, Vision
2020. Er ist davon überzeugt, dass Gott nicht zufällig solch ein großes Potential an diesem
strategischen Punkt der Erde geschenkt hat. Nepal, Tibet, Bangladesh, Birma, alle diese Länder mit
ihren Millionen und Milliarden von Menschen sind in unmittelbarer Nähe. Der Bundesstaat
Mizoram ist ebenfalls zu über 90% christlich. Auch die vielen Bibelschulen im Süden des Landes
zehren von diesen Christen aus dem Norden. Sie sehen nicht typisch indisch sondern vielmehr
asiatisch-mongolisch aus. Diese Leute nun, geschult und gegründet in Gottes Wort, könnten in das
sie umgebende Völkermeer fast problemlos eintauchen und das Evangelium weitertragen. Es ist
durchaus vorstellbar, dass sich hier noch große Türen auftun. Auch sind sie nicht so verwöhnt und
anspruchsvoll wie wir westliche Wohlstandsbürger und von daher viel besser geeignet, die ihnen
ethnisch und kulturell Nahestehenden zu erreichen.
Bei diesen Einsätzen an den verschiedenen Orten und Gemeinden gab es ständig Bekehrungen. Es
besteht eine große Offenheit für das Evangelium. Einmal hatten wir sogar einen Einsatz unter
Soldaten. Auch da trafen etliche Soldaten eine Entscheidung, als ein amerikanischer Evangelist, der
ein brennendes Herz für Jesus hat, zur Bekehrung aufrief.
Meine amerikanischen Freunde riefen immer
wieder zu Entscheidungen auf und rein
numerisch ging es in die Hunderte. Wie viel
davon echt ist, weiß Gott allein. Manchmal
schien es mir etwas zu einfach, manchmal
aber hatte ich den Eindruck, dass Gott
wirklich deutlich geredet hatte.
Begleitet wurde Jim Starr von Dr. Gene
Gurganus, der mit 82 Jahren der mit Abstand älteste Teilnehmer unserer Gruppe war. Ein
biblischer Patriarch, der 17 Jahre als
Missionar
in Bangladesh gewirkt hatte. In 61 Jahren hat er, wie er uns berichtete, die Bibel 75mal gelesen. Ein
biblisches Urgestein also, wie es leider immer seltener gefunden wird.
Gleich zu Beginn unserer Reise besuchten wir auch den semiautonomen Bundesstaat Sikkim. In
Darjeeling begegneten wir einheimischen Missionaren (s. Bild unten), die Frank und mich zutiefst
beeindruckten. Ein Bruder, obwohl seine Ausbildung ihn für einen Lehrer an einer biblischen
Hochschule qualifizierte, war bereit, mit Frau und Kind unter einfachsten Verhältnissen zu leben.
Letztlich nur ein Zimmer und statt eines Schrankes ein Vorhang. Die Toilette wird mit 5 anderen
Familien geteilt. Aus Liebe zu Jesus passt man sich den Mitmenschen an, teilt ihren Lebensstil und
damit auch ihre Armut. Gott bekennt sich offensichtlich dazu, denn er durfte gerade unter den
Hindus schon manche Frucht sehen. Doch
auch Moslems kommen zum Glauben an den
lebendigen Erlöser und lassen sich taufen.
Die Geschlechterrolle ist in diesem Teil der
Erde noch einigermaßen intakt. Der Sari
kleidet elegant und passend die indische
Frau. Auch bei größter Vernebelung käme
man hier nicht auf die Idee, Mann und Frau
zu verwechseln bzw. sie aus ihren
spezifischen Rollen herauszudrängen.
Von Gender-Ideologie hatte man noch nicht
gehört. Als ich erwähnte, dass nun in den
neuen Schulen in Deutschland Unisex-Toiletten eingerichtet werden müssen,
schließlich kann der autonome Mensch sein
Geschlecht selber bestimmen, war Fassungslosigkeit die Reaktion. Der Kommentar eines Bruders "Insanity". Dieses Wort bezeichnet womöglich ebenso kurz wie zutreffend, wo der sich selbst
bestimmende Mensch dank der "erleuchteten" Aufklärung gelandet ist. Mit dieser "Insanity" bauen
wir nun mit Rückendeckung der EU die neue "paradiesische" Weltordnung. Es ist schon
erschütternd zu sehen, zu welchen Abgründen von Dekadenz sich der von Gott losgelöste Mensch
versteigen kann. In Australien darf man seit wenigen Wochen in seinem Pass neben männlich und
weiblich auch noch eine dritte Geschlechtsform ankreuzen. Doch, wie gesagt, in Asien bzw. Indien
bewirken solche Mitteilungen nur ein ungläubiges Staunen.
Mehr als dankbar war ich für meinen Begleiter Frank Hickman. Da er die ersten 11 Jahre seines
Lebens in den USA aufgewachsen ist, beherrscht er Englisch ebenso gut wie Deutsch. Statt eines
Diktionärs konnte ich bei ihm "nachschlagen".
Auch lernten wir so viele lebendige Christen, brennende Evangelisten kennen, dass dies besonders
auch für ihn eine große Bereicherung war. Der Blickwinkel weitet sich in ungeahnter Weise aus,
gerade auch wenn man in Berührung mit der weltweiten Gemeinde Jesu kommt.
Die Reise verlief über verschiedene
Stationen. Ankunft am 28. Okt. in Kalkutta,
das seit einigen Jahren Kolkata heißt.
Weiterflug am nächsten Tag nach Bagdogra,
von dort weiter mit dem Auto nach Siliguri
im Bundesstaat Westbengalen. Siliguri ist
nur eine halbe Autostunde von der Grenze
Nepals entfernt. Von dort ging es über
Umwege mit dem Auto durch Sikkim und in
die Hauptstadt Gangtok weiter. Umwege
auch deswegen, weil wegen eines kürzlich
schweren Erdbebens manche Straßen kaum
noch passierbar waren.
Am 9. Nov. nun war der Flug von Guwahati, der Metropole von Assam, nach Imphal, der
Hauptstadt von Manipur. Nach fast einer Woche ging es weiter per Flug am 15. November nach
Hyderabad, und zwar wegen der umgebuchten Verbindungen über Delhi. Von Hyderabad nach ein
paar Tagen, nämlich den 19. November, noch weiter in den Süden nach Bangalore, das auch als die
Hauptstadt der Evangelikalen Indiens bezeichnet wird. Auch dort hatte ich bis kurz vor dem Abflug
noch mehrere Unterrichtsstunden in einer großen Bibelschule. Von Bangalore schließlich traten wir
dann am 23. November den Rückflug nach Frankfurt an.
Selber erlebte ich manch freudiges Wiedersehen mit Geschwistern, die man nun schon über
Jahrzehnte kennt. Mein erster Besuch in Indien war vor genau 25 Jahren. So kann ich nur dankbar
auf all diese Jahre im Allgemeinen und diese Reise im Besonderen zurückblicken. Zwar gab es
manche Überraschung und manche Planung musste umgestoßen werden, doch man wusste sich in
der guten Hand Gottes geborgen.
Dies vor allem deshalb, weil sehr viele im Gebet an diese Reise gedacht haben und auch großzügig
bereit waren, den Indienbesuch zu unterstützen. An dieser Stelle möchte ich auch jenen meinen
besonderen Dank aussprechen, die diese Reise finanziell unterstützt haben und deren Identität ich
zum Teil gar nicht feststellen konnte. Aber vor allem den treuen Betern sei von Herzen gedankt.
Erst die Ewigkeit wird zeigen, was diese Fürbitte alles bewirkt hat.
Alexander Seibel