(6. – 30. Okt. 2003)
Friedlich saßen wir beisammen und besprachen
mit Pastor Segundo die Details wegen des geplanten
Seminars in seiner Gemeinde. Plötzlich wurde
die Tür aufgerissen und eine aufgeregte Stimme
rief Carro (Auto). Ich verstand zunächst
nichts, bis mir Winfried Jerosch zurief, daß
man versucht hatte, sein Auto aufzubrechen. Sein
Toyota Geländewagen, Landcruiser, ist ein
prächtiges Fahrzeug und sehr gut gesichert.
Dennoch war es den Dieben irgendwie gelungen,
über einen Funkbefehl die Alarmanlage auszuschalten.
Das Fenster, obwohl als schlagfest geltend, war
eingedrückt und die Maske vom Radio gestohlen
worden.
Dabei hatte der Wagen direkt am hellichten Tag
vor der Kirche geparkt. Das gestohlene Stück
hat maximal einen Wert von 20 Euro, die Schadenssumme
liegt bei 500 Euro. Sicherheitshalber hatten die
Diebe einen Reifen zerstochen, damit man sie nicht
verfolgen kann. Auch das ist ein Teil von Lima.
Die Schulungswoche für die baptistischen
Pastoren war doch ziemlich anstrengend. Es begann
um 8.00 morgens und ging bis mindestens 21.00
Uhr. Dazwischen wenig Pause und fast fortwährend
Unterricht und Verkündigung. Gebeten wurde
ich, zur charismatischen Frage zu referieren.
Die Pastoren hatten zum Teil so viele Spaltungen
und Verwirrungen erlebt, daß sie einfach
mehr Argumente haben wollten. Es kamen zwar nicht
so viele wie erwartet, doch Winfried meinte, dies
seien in gewisser Hinsicht Schlüsselleute
und wichtige Multiplikatoren. Winfried und seine
Frau Nicole sind ausgesandt von der Neukirchner
Mission und wir kannten uns schon von meinen früheren
Besuchen und Vorträgen.
Nicht immer einfach war es auch, die Sprachbarriere
zu überwinden. Vieles kommt mir nach wie
vor Spanisch vor. Winfried übersetzte mich
aus dem Deutschen, mein Übersetzer aus dem
Englischen war zwar Peruaner, doch sein Englisch
hätte noch besser sein können.
Das Seminar fand in der Baptistengemeinde von
Pastor Segundo Chuquimango statt. Er war eigentlich
der Anlaß, daß ich nach 5 Jahren wieder
Peru besuchte. Er hatte die spanische Übersetzung
meines Buches “Die sanfte Verführung
der Gemeinde” in die Hand bekommen und begann
es, in großem Maße zu verteilen und
wünschte, mit mir eine Schulung der Pastoren
durchzuführen. Winfried Jerosch teilte mir
jedenfalls von diesen Plänen mit, und so
beschloß ich, wiederum eine größere
Reise anzutreten.
Winfried und Nicole erzählten mir immer
wieder interessante Geschehnisse und Details über
das politische Klima und aus der jüngsten
Geschichte dieser Inkarepublik: Alan Garcia galt
als der charmanteste Präsident, den Peru
jemals hatte. Mehrere Missionare bezeugten, wie
dieser Mann die Frauen Perus begeistert hatte,
denen er seine Wahl verdankte. Ergebnis seiner
Amtszeit von 1985-90: 7000% Inflation, Staatsbankrott,
extremer Hunger in Peru, sogar die UNO deklarierte
das Land damals als hilfsbedürftig. Um ein
Kilo Zucker zu erstehen, mußte man stundenlang
Schlange stehen und es wurden wieder Lebensmittelmarken
eingeführt. Zahllose Menschen verloren ihr
Erspartes. Durch diese Regierung erstarkte der
Terrorismus, der berüchtigte Leuchtende Pfad,
wie noch nie zuvor. Garcia, Präsident der
sozialistischen Partei Perus, plünderte die
Staatskassen und mußte türmen. Danach
lebte er im politischen Asyl in Frankreich und
wurde gleichzeitig in Peru mit Haftbefehl gesucht.
Nach ihm kam Fujimori, der die Korruption noch
steigerte und ebenfalls floh, diesmal nach Japan.
Doch 25% würden ihn sofort wieder wählen.
Noch aussichtsreicherer Kandidat ist obiger Alan
Garcia, der inzwischen wieder in Peru lebt und
dessen geschickte Rednergabe die Massen alle seine
Schandtaten vergessen läßt.
Derzeitiger Präsident und Tabellenführer
in Sachen Unbeliebtheit ist Alejandro Toledo Manrique.
Prinzipienlosigkeit und Unwahrhaftigkeit in Person,
was aber heute bei Politikern eine sehr häufig
anzutreffende Kombination ist, hat er sich durch
manche Aktionen die letzten Sympathien verscherzt.
Eine seiner ersten Amtshandlungen war die Verdoppelung
seines Monatsgehalts. Die versprochene doppelte
Gehaltserhöhung für Krankenschwestern,
Lehrer, Staatsangestellten und andere Berufsklassen
blieb jedoch aus. Dafür die Erhöhung
mehrerer Steuern, wobei er vor der Wahl das genaue
Gegenteil versprochen hatte. Dies hat sogar die
radikalsten Linken in Peru, den Berufsstand der
Lehrer, auf die Straße getrieben, so groß
war die Unzufriedenheit. Es ist das erste Mal,
daß ein inkastämmiger Peruaner Präsident
wurde. Seit letztem Jahr nimmt die Armut zu. Seine
Frau, eine radikale Feministin und passionierte
New-Agerin behauptet, die Reinkarnation einer
Inkaprinzessin zu sein.
Besonders hinterhältig war seine Verweigerung
eines Vaterschaftstests, den er aber im Falle
eines Wahlsieges versprochen hatte. Als sogar
das oberste Gericht Perus ihn zu diesem Test aufforderte,
wurde der oberste Richter von ihm bestochen, obwohl
das so offiziell natürlich nicht gesagt wird,
und die Anklage gegen Toledo fallen gelassen.
Das ganze war so ein Trauerspiel und Lügentheater,
daß ihn derzeit nur noch 9% wiederwählen
würden.
Bei seinem in diesem Monat Oktober stattfindenden
Besuch in Deutschland, erklärte Schröder
und sein Kabinett gegenüber diesem Lügenbaron:
“Wir stimmen hundertprozentig mit ihm überein”.
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Fazit, wer immer auch gewählt wird, die
Sünde holt den gefallenen Menschen ein und
macht letztlich alles kaputt, egal wie reich so
ein Land ursprünglich gewesen ist. Und Peru
kann man von dieser Perspektive zu den reichsten
Ländern der Welt zählen. Es hat alle
Mineralien, jede Menge Gold und Silber, auch Edelsteine
und Erdöl. An den Küsten dieses Inkastaates
befindet sich dank des Humboldtstroms ein schier
unerschöpflicher Fischreichtum usw. Ein Land
der Superlative. Doch welche Partei, welches Programm,
welche Ideologie auch immer, ohne veränderte
Herzen geht es nicht. Der Mensch ist korrupt,
verlogen und nur auf sich bezogen vom Mutterleib
an.
Wie sehr das Evangelium andererseits das geistliche
Klima eines Dorfes ändern kann, zeigt das
Beispiel der Kleinstadt Santa Ana. Dort wirkte
eine norwegische Missionarin mehrere Jahre so
segensreich, daß man sie schließlich
zur Bürgermeisterin gewählt hat. Nun
ist es eines der wenigen Dörfer, wo es in
den oberen Rängen keine Korruption gibt,
eine merkliche Besserung in fast allen Lebensbereichen
eingetreten und auch der Lebensstandard gestiegen
ist. Es ist auch ein Dorf, in dem man kein Bordell
findet.
In Deutschland und vor allem auch im Rahmen der
EU, ist man nun aber dabei, die Sünde zu
schützen, die Unmoral und besonders die Perversion
zur Tugend zu erklären. Kein Wunder, daß
wir am Rande einer Rezession stehen. Nach dem
moralischen Bankrott kommt, trotz heftigster Dementis
seitens unserer Propheten der neuen sozialistischen
Weltordnung, immer auch der wirtschaftliche Niedergang.
“Gerechtigkeit erhöht ein Volk, die
Sünde ist der Leute Verderben”, ist
heute aktueller denn je.
Als ich jedenfalls bei meinen Unterrichtsstunden
den Bibelschülern mitteilte, wie dank der
Kulturrevolution und der gegenwärtigen rot-grünen
Regierung in Deutschland Prostitution zu einem
offiziellen Beruf erklärt wurde, breitete
sich auf den Gesichtern ebenso Heiterkeit wie
Fassungslosigkeit aus. Ähnlich war die Reaktion,
als die Studenten zu ihrem maßlosen Erstaunen
vernehmen mußten, welche Gesetze gerade
in jüngster Zeit zugunsten der Homosexuellen
verabschiedet worden sind. Hier in Peru sind die
Grundkoordination bezüglich Familie und Geschlechterrolle
offiziell noch in Ordnung. Sogar die Abtreibung
ist noch verboten. Zwar gibt es immer wieder Versuche
von feministischer Seite, mehr „Gleichberechtigung“
einzufordern, doch die Akzeptanz ist noch relativ
gering. Die Gehirnwäsche durch die Bildmedien
und Hollywood ist einfach noch nicht so weit fortgeschritten
wie in den meisten EU-Ländern. Allerdings
liegen hier wiederum andere Dinge im argen.
Doch zurück zu der eingangs erwähnten
Schulungswoche. Nach diesen Tagen hatte Pastor
Segundo noch größere Pläne für
einen weiteren Besuch, am besten gleich im nächsten
Jahr. Es sollte dann der Unterricht auf eine viel
größere Basis gestellt werden, gibt
es doch in Lima allein ca. 180 Baptistengemeinden.
Darüber hinaus wollte er in diesem großen
Land noch weitere Bibelschulen und Seminare für
eine Schulungskonferenz bei einem erneuten Besuch
gewinnen. Dies sind natürlich wunderbare
Gelegenheiten und offene Türen, wie man sie
zum Teil nur erträumen kann. Umso größer
ist die Verantwortung, umso dankbarer ist man
für Gebetsunterstützung. Doch wie es
derzeit aussieht, hat der treue Herr Jesus offensichtlich
eine Tür aufgetan, die viel Frucht wirkt
(1. Kor. 16,9).
Es gab jedenfalls in erster Line dankbare Abnahme.
Wegen der vielen Anfragen hatte Winfried noch
einen Flug in den Norden nach Piura gebucht, in
dessen Nähe Sullana liegt, das gar nicht
mehr so weit vom Äquator entfernt ist. Dementsprechend
waren auch die Temperaturen.
Dem verantwortlichen Pastor Francisco Laos sieht
man nicht an, daß er 15 Jahre lang rauschgiftsüchtig
gewesen ist. Er war schon bereit, seinem Leben
ein Ende zu setzen und sah den Tod nur noch als
Erlösung aus diesem Jammertal, in das er
durch die Droge geraten war. Dann fand ihn die
Gnade Gottes und seit seiner Bekehrung hatte er
nur noch den einen Wunsch, seinem Herrn zu dienen.
Es berührt und erfreut immer wieder neu zu
sehen, wie Jesus Menschen verändern, neu
machen und zum Segen setzen kann. Wir haben einen
lebendigen Heiland.
In Sullana hatten die Baptisten ein Seminar organisiert
und wiederum hatte ich den ganzen Tag Lehrvorträge
und Verkündigung. Auch hier lautete die Bitte,
ich solle doch wiederkommen. Mein Buch ging weg
wie die sprichwörtlichen warmen Brötchen
und obwohl ich in meinem Koffer 170 Stück
mitgenommen hatte, wurden nicht nur alle verkauft,
sondern noch 430 Exemplare nachbestellt. Man wolle
eine große Konferenz organisieren. Von diesen
vielen Angeboten, Nachfragen und sich unerwartet
öffnenden Türen war aber das Folgende
am erstaunlichsten:
“Sie suchen schnelle Erlebnisse, Sensationen
und Erfahrungen. Diese Oberflächlichkeit
ist durch die Charismatiker in die Asamblea de
Deos eingedrungen. Es gibt jede Menge Proselyten
oder Mitläufer, aber kaum echte Bekehrungen.
Man will immer weniger sich nach dem Wort und
den Lehren der Bibel ausrichten.”
Solche Sätze aus meinem Munde zu vernehmen,
würde kaum jemanden überraschen. Doch
das Erstaunliche ist, diese “Klagelieder”
kamen so oder so ähnlich von Jaime Mendoza,
Bibellehrer zum Thema Zeitströmungen am “Seminario
Biblico Andino de Asemblea de Dios”, also
einer pfingstlichen Ausbildungsstätte in
Lima.
Er hatte die spanische Version meines Buches
“La Iglesia Infiltrada Sutilmente”
eher zufällig in die Hand bekommen und war
sehr davon angetan. Er nahm Verbindung mit Winfried
Jerosch auf, als er vernommen hatte, daß
ich in Lima weilte. Er wollte mich unbedingt für
Vorträge einladen. Winfried hatte wesentlich
die Koordination der Anfragen um Dienste übernommen.
Es ergab sich noch eine Lücke und so sprach
ich doch tatsächlich in einer pfingstlichen
Bibelschule vor einer Klasse über die charismatische
Bewegung.
Es wurde für diesen Vortrag besonders gebetet.
Die Resonanz war so positiv, das Mendoza mich
noch unbedingt für eine andere Klasse bei
einer weiteren Bibelschule buchen wollte. Sein
Plan ist es, wenn ich wiederkäme, eine große
Konferenz mit den Asemblea de Dios Gemeinden zu
organisieren, damit Alexander Seibel sie dort
über die charismatische Bewegung, ihre Gefahren
und Abweichungen von der Schrift aufklären
solle. Auch würde sich Mendoza über
Besuch und Vorträge von Wolfgang Bühne
freuen. Er hat sein Buch “Explosión
Carismática” gelesen und es zur Pflichtlektüre
für seine (pfingstlichen) Studenten gemacht.
Es geschehen also doch noch offensichtlich Zeichen
und Wunder.
Für die Studenten waren meine Ausführungen
doch eher überraschend. Wie Winfried meinte,
ist hier in Peru Benny Hinn für viele ein
Starprediger. Doch was man von der Bibel her belegen
kann, wird ohne viel Widerspruch akzeptiert. Ein
Student bestätigte mir nach dem Vortrag,
wie ihm Benny Hinn eher unheimlich war, hat er
doch selber gesehen, wie er die Leute einfach
umwirft. Wie mir die Geschwister bestätigten,
ist diese große Akzeptanz darauf zurückzuführen,
daß den Gläubigen in Peru, egal welcher
Schattierung, Bibelkritik völlig fremd ist.
Die Heilige Schrift ist Gottes Wort, das nicht
angetastet oder angezweifelt wird.
Leider ist diese Haltung in unserer deutschsprachigen
evangelikalen Welt nicht mehr so selbstverständlich.
Der Einfluß der Postmodernen mit ihrem Relativismus
läßt auch die Einstellung zur Bibel
schleichend aufweichen. Die Diktatur der neuen
Toleranz duldet kaum noch deutliche oder abgrenzende
Aussagen. Das Ergebnis ist ein Meinungs- und Lehrpluralismus
und damit verbunden zeigt sich immer weniger Bereitschaft,
sich vom Worte Gottes her korrigieren zu lassen
oder Buße zu tun. Man singt umso stimmkräftiger
das hohe Lied von der uferlosen Liebe Gottes und
auf dem Altar einer mystisch stimulierten Einheit
wird heute sehr großzügig manche biblische
Wahrheit geopfert. Man kann sich des Eindrucks
nicht entziehen, daß diese Generation sich
fast danach „sehnt“, betrogen zu werden,
eine Entwicklung, die längst auch unsere
frommen Kreise erfaßt hat.
Wer Gottes Wort nicht mehr ernst nimmt, wird
von Gott auch nicht mehr ernst genommen (Offb.
3,10). Schließlich wird man von Gott dahingegeben
und die letzte Phase dieses Gerichts reift nun
gemäß Röm. 1,26-27 in erschreckender
Weise direkt vor uns aus.
Ein merklich anderes geistliches Klima ist dagegen
hier in Peru anzutreffen. Deswegen auch die überraschende
und manchmal deutliche Bereitschaft, umzudenken
und sich belehren zu lassen, auch wenn man es
früher anders geglaubt und gesehen hat.
So konnte ich nur dankbar auf das zum Teil unglaubliche
Wirken unseres Herrn und seine Treue zurückblicken.
Doch es gab noch mindestens ein Ereignis, das
mich unerwartet traf und ziemlich erschütterte.
Um 3.00 Uhr früh am 17. Oktober klingelte
im Missionshaus der Neukirchner Mission in Lima
das Handy von Winfried Jerosch. Meine Tochter
wollte unbedingt ihre Eltern sprechen. Mit einer
den Tränen nahen Stimme erzählte sie
mir, wie meine Mutter Victoria, 83 Jahre alt,
einen schweren Schlaganfall erlitten hatte. Nach
dem Schock dieser Nachricht kamen sofort etliche
Fragen auf und viele Überlegungen gingen
durch meinen Kopf. Sollte ich nun meinen Besuch
in Peru abbrechen, bei so vielen offenen Türen,
die so deutlich, so weit ich das zu beurteilen
vermag, Antwort auf die Gebete vieler sind?
Über E-Mail nahm ich mit meinen Verwandten
in Wien Verbindung auf und erfuhr nun mehr Details,
die mich zum Teil sehr bewegten. Es war eine starke
Gehirnblutung eingetreten und die Ärzte stellten
eine ungünstige Prognose. Entweder baldiger
Tod oder im Falle des Überlebens schwere
Behinderung. Doch gerade darum hatte meine Mutter
gebetet, daß sie kein Pflegefall würde.
Die folgenden Tage lag sie ruhig da und weil linksseitig
gelähmt, konnte sie nur noch mit der rechten
Hand zeigen, daß sie etwas verstanden hat.
Catherine war am 14. Oktober mit Janina Karbe,
genau eine Woche nach meiner Ankunft, in Lima
eingetroffen. Am 20. Oktober weilten wir bei Winfried
Jerosch und seiner Frau Nicole in San Ramon. An
diesem Abend konnte ich mich erst nach mehreren
Versuchen in das Internet einwählen. Dann
las ich auf der Betreffzeile der E-Mail-Nachricht
aus Wien: „Victoria – das Ende bzw.
der Anfang“. Aus dieser Mitteilung meines
Bruders Matthias möchte ich nun den entscheidenden
Abschnitt zitieren: „Heute Abend war ich
bei meiner Mutter, habe ihr Lieder vorgesungen,
mit ihr geredet und gebetet und Psalmen vorgelesen.
Sie atmete schwerer als sonst. Und sie vergoss
einige Tränen während ich bei ihr war.
Zweimal trat der Ausdruck der Rührung in
ihr Gesicht, den ich so gut von ihr kannte. Während
ich ihr Psalmen ins Ohr sagte und betete, hörte
sie zu atmen auf, und wenige Zeit später
blieb ihr Herz stehen. Obwohl wir Tränen
vergießen, sind wir zugleich sehr dankbar,
wie der Herr die Gebete erhört hat. Sie war
bis zuletzt körperlich und geistig ziemlich
fit und aktiv im Dienst für den Herrn.“
Am nächsten Tag telefonierte ich mit meinem
Bruder Matthias. Wie dankbar war ich zu vernehmen,
daß die Beerdigung für den 3. November
angesetzt ist. Zwar heißt dies im Prinzip,
daß Catherine und ich kurz nach unserer
Rückkehr am 30. Oktober gleich wieder nach
Wien aufbrechen werden. Doch ich hätte es
sehr bedauert, bei der Beerdigung meiner Mutter
nicht dabei sein zu können.
So sind wir trotz aller Trauer doch sehr getröstet.
Der treue Herr Jesus hat es ermöglicht, daß
mein Bruder Matthias beim Ableben unserer Mutter
dabei sein durfte und ich kann nun auch, obwohl
zum Zeitpunkt des Todes Tausende Kilometer entfernt,
bei ihrer Grablegung anwesend sein.
Man möge bitte Verständnis haben, wenn
ich dies hier ausführlicher erwähne.
Nicht jeder kann damit unbedingt etwas anfangen.
Doch relativ viele Empfänger dieses Reiseberichts
kannten Victoria persönlich, aber auch der
Tod der eigenen Mutter geht doch nicht an einem
einfach so spurlos vorüber.
Alexander Seibel