Der Mann kniete vor seinem ehemaligen
Arbeitskollegen, dem er das Leben früher
so schwer wie nur irgend möglich gemacht
hatte, eigentlich zu zerstören trachtete.
André H. wollte um jeden Preis sein Leben
nicht nur vor Gott, sondern auch vor Menschen
in Ordnung bringen. Jahrelang hatte er mit der
Droge gelebt. Wegen dieser Drogenkarriere brach
er sein Jurastudium ab, nutzte er hemmungslos
andere aus, was ihm wegen seiner großen
Begabung erstaunlich lange gelang. Der Polizeichef
meinte: "Er ist der schlauste Kopf von Pomerode".
Mit diesen Talenten ausgestattet, machte er auf
der Präfektur dem Stadtrat das Leben buchstäblich
zur Hölle. Doch alle Begabung half nichts,
das Kokain war dabei, seine zerstörerische
Wirkung zu entfalten. Auch seine Ehe war begreiflicherweise
zerrüttet.
Aus frommem Elternhaus stammend, wußte
er alles vom Glauben, doch interessierte er sich
besonders für Nietzsche, den damit verbundenen
Zarathustra-Glauben, las Hemingway u.a. Der Vater
war ihm zu fromm, dem Evangelium verschloß
er sich und es begann im Zuge der geistlichen
Abwärtsentwicklung die oben erwähnte
Drogenkarriere. Schließlich schien alles
ausweglos und er nahm nach ca. 4 Jahren eine Überdosis,
um sein Leben zu beenden. Dank der Kunst der Ärzte
wurde sein Leben gerettet. Auf der besonderen
Station im Krankenhaus tobte er danach herum.
Man gab ihm eine letzte Chance. Man bot ihm an,
ihn in das Reha-Zentrum Cerene aufzunehmen, das
von der Gnaudauer Brasilien-Mission bzw. dem brasilianischen
Ableger MEUC (Missao Evangélica Uniao Crista)
nach Richtlinien des Blauen Kreuzes geführt
wird. Bei dem Aufnahmegespräch brachte er
seine Bücher mit, die er dort weiterlesen
wollte. Er fragte den Seelsorgeleiter, ob er diese
Bücher kenne. Er kenne zwar diese Namen,
aber nicht die Inhalte. "Diese Bücher
haben dir bis jetzt nicht geholfen. Ich gebe dir
ein anderes Buch, das mein verpfuschtes Leben
geordnet hat. Die Bibel, und dieses Buch kann
auch dein Leben retten." "Dies sagte
mein Vater auch immer, aber ich hab's nicht angenommen.
Aber ich will den Rat akzeptieren," entgegnete
André.
Er begann die Bibel zu lesen und bekehrte sich
nach drei Tagen. Ursprünglich wollte er nur
sieben Tage bleiben, doch daraus wurden sieben
Monate. Danach nahm er das Studium wieder auf.
In diesen sieben Monaten brachte er konsequent
alles in Ordnung, was seine Vergangenheit belastete.
So bezahlte er jahrelang ab, was er sich widerrechtlich
an Geld angeeignet hatte, um seine Drogensucht
finanzieren zu können. Als er sich bei dem
oben erwähnten Stadtrat entschuldigen wollte,
nahm dieser dies nicht an. Er wollte mit so einem
Menschen nichts mehr zu tun haben. "Du mußt
mir noch einmal eine Chance geben", flehte
André. Auf den Knien, wie eingangs geschildert,
bat er um Vergebung. Drei Jahre lang kämpfte
er darum, zu seiner Familie, seiner Frau und dem
Sohn, zurückkehren zu können. Seine
Frau wollte einen normalen und nicht einen frommen
Mann. Auch dies hat der treue Her geschenkt, daß
die Familie nun wieder vereint sein darf.
Diese bewegende Geschichte von der großen
Gnade Gottes, die mehr als eindrücklich die
Macht des auferstandenen Erlösers zeigt,
Wunder zu wirken, dort einzugreifen, wo es menschlich
gesehen keine Hoffnung mehr gibt, erzählte
mir der Missionar Hans Fischer. Ich hatte ihn
in Pomerode, im Bundesstaate Santa Catarina, besucht
und saß ihm am 12. Februar am Schreibtisch
gegenüber. Während wir sprachen, kam
ein Anruf. Es war dieser besagte André
H., der an genau jenem Tag sein Diplom für
das abgeschlossene Jurastudium erhielt. Er fragte
nach dem Bibeltext, über den er die kommende
Bibelstunde halten sollte. Aus diesem gegeben
Anlaß begann mir Hans Fischer diese ergreifende
Geschichte zu erzählen, ein Hohelied von
der Retterliebe unseres Herrn. Es braucht nicht
groß betont zu werden, daß dieser
veränderte Lebenswandel mehr redet als viele
Worte oder Berichte angeblicher Wunderheilungen.
Dies vernahm ich nun mehrmals, wie der treue
Herr Jesus Gebete erhörte und Menschen aus
schlimmsten Bindungen heraus befreite, auch wie
spiritistische Medien sich bekehrten. Dies soll
auf keinen Fall verschwiegen werden, wie es in
dieser Hinsicht unter dem treuen Dienst der einzelnen
Missionare und Geschwister Aufbrüche gibt
und sich 2. Kor 5,17 manchmal mehr als eindrücklich
erfüllt. Ich habe dies auch bewußt
vorangestellt, denn Brasilien ist, wie ein Kind
Gottes meinte, ein reiches Land. Reich an absonderlichen
Phänomenen und Geschichten. Denn als Hochburg
des Spiritismus hat dieses Land Dinge aufzuwarten,
bei denen einem Durchschnittseuropäer doch
manchmal der Atem stockt. Zwar erlebt die EU gegenwärtig
eine okkulte Welle und auch wir haben uns allmählich
an abstruse Dinge gewöhnt, doch dieses riesige
wie schöne Land ist anscheinend doch ein
Vorreiter Richtung Okkultismus.
Reinhold Federolf ist Missionar beim Missionswerk
Mitternachtsruf. Gleich zu Beginn meiner Reise
am 1. Febr. besuchte ich ihn in Porto Alegre,
der südlichsten Hauptstadt Brasiliens. Er
erzählte, wie er in Santos, der Hafenstadt
von Sao Paulo, am Strand "Praia Grande"
ein großes Treffen der Umbandisten gewisse
Zeit beobachtete. Der Umbanda-Spiritismus ist
ebenso verbreitet wie einflußreich. Es wurde
die ganze Nacht getrommelt. Die Leute fielen in
Trance, krabbelten wie Kinder am Boden und hatten
dabei Spielzeug in den Händen und Schnuller
im Mund. Es wurde der "Espirito de crianca"
(der Geist des Kindes) angerufen. Diese Geister
stiegen dann herab, worauf die Teilnehmer zu Boden
fielen, wie Tiere schrien und am Boden rollten.
Bewegungen wie bei Kindern gehörten ebenso
dazu wie stundenlanges Tanzen. Was Wunder, daß
sich bei mir Assoziationen aufdrängten, daß
uns Ähnliches heute als besonderer Segen
angeboten wird.
Ein anderer Missionar berichtete mir, wie heute
in normalen Buchläden 4O% der verkauften
Bücher zur Esoterik gehören. Vor 15
Jahren, so meinte er, habe es so gut wie keine
okkulten Bücher gegeben, außer es handelte
sich um okkulte oder spiritistische Verlage.
Brasiliens größte Fernsehgesellschaft
ist die "Rede Globo". Geschwister im
Bundesstaat Santa Catarina bestätigten mir
mehrfach, wie sämtliche Schauspieler dieses
TV-Imperiums Spiritisten sein müssen. Sehr
beliebt sind gegenwärtig die "Novelas".
Es handelt sich hier um TV-Familiengeschichten
mit vielen Fortsetzungen, in denen erotische Szenen
ebenso selbstverständlich sind wie die Botschaft
des Spiritismus. Brasilien ist ein Anschauungsbeispiel
dafür, klagte jemand anderer, wie das Fernsehen
die Moral des Volkes in den letzten 1O Jahren
untergraben hat. Zwar ging es in diesem Land immer
etwas lockerer zu, doch TV und Video, wobei letzteres
durch das jüngste wirtschaftliche Aufblühen
erst vor wenigen Jahren große Verbreitung
fand, haben einen dramatischen Abwärtstrend
eingeleitet. Parallel dazu geht es als Folge der
neuen Unmoral mit Aids aufwärts. Eine Schwester
meinte sogar, kein Programm im Fernsehen sei frei
von Okkultismus.
In dem von deutschen Einwanderern gegründeten
Ort Blumenau gibt es ein neues Einkaufszentrum
namens "Shopping Neumarkt". Es unterscheidet
sich in Eleganz und moderner Ausstattung so gut
wie gar nicht von entsprechenden Einrichtungen
in der Bundesrepublik. In einer großen und
schönen Halle des Gebäudes, wo moderne
Geschäfte untergebracht sind, standen sieben
Zelte, besetzt mit Wahrsagerinnen und Medien.
Über Bachblüten, Tarot, Wahrsagerei,
Handlinienlesen und Horoskope wurde so ziemlich
alles angeboten, was Gott ein Greuel ist. Die
Leute standen teilweise Schlange, um Lebenshilfe
und Weisungen für die Zukunft aus diesen
Quellen zu empfangen. Auch ein Hexenladen war
in dieser Halle. Soweit ist man in Deutschland,
daß mitten im Einkaufszentrum Wahrsager
und Zigeuner den Kunden die Zukunft deuten, noch
nicht, hoffe ich jedenfalls. Hat womöglich
auch hier Brasilien, ähnlich wie beim Fernsehen,
nur Vorreiterfunktion?
Die Frau eines Missionars machte mich darauf
aufmerksam, wie die Livraria Alema (Deutsche Buchhandlung)
voll esoterischer Literatur ist. Als große
Renner haben sich die Werke von Paulo Coelho erwiesen,
der Spiritist und Freimaurer ist. Dieser Bestsellerautor
ist eine Art Medium und verfaßt vor allem
Bücher für Menschen, die erfolgreich
sein wollen. Gleichzeitig hält er Management-Seminare
ab und bildet Manager und Berater aus.
Der gestürzte Präsident Fernando Collor
soll im Keller seines Hauses schwarze Magie getrieben
haben. So wurden Ziegen geschlachtet, Puppen mit
Nadeln durchstochen, um seine Gegner, die immer
zahlreicher wurden, zu überwinden. Auch hatte
er seine Wahrsagerin. Solch ein berühmtes
Medium der Wahrsagerei ist hier unter dem Namen
Adelaide bekannt, die auch von den Gouverneuren
der drei Südstaaten Brasiliens (Parana, Santa
Catarina und Rio Grande do Sul), konsultiert wurde.
Sie soll auch über das Wetter bestimmen können.
Einer dieser Gouverneure, ein praktizierender
Spiritist, erklärte bei einer christlichen
Veranstaltung, wie er Brücken schlagen möchte
zwischen Christus, Xango, dem Geisterfürsten
der Spiritisten und Yemanja, der Meeresgöttin,
hier oft auch mit der katholischen Maria gleichgestellt.
Er möchte ein mentales Dreieck herstellen.
Synkretismus also in ungeschminktester Form.
Ein gläubige Lehrerin erzählte, wie
der Leiter ihrer Schule Spiritist ist. Seit drei
Jahren werden nun die Kinder an dieser Grund-
und Realschule in den Spiritismus eingeführt
und lernen, mit den Geistern Verbindung aufzunehmen.
Bei uns wird Ähnliches unter dem Namen New-Age
propagiert. Als Ergebnis entwickelten die Schüler
hypnotische und telepathische Fähigkeiten.
In einem konkreten Fall baten die Schüler
mittels eines Pendels, die Geister mögen
doch den Mathematikunterricht verhindern. So kam
es auch. Als die Lehrerin das Klassenzimmer betrat
und sich hinsetzte, blieb sie beklommen, trancegleich
sitzen. Sie verharrte in diesem Zustand bis zum
Pausenzeichen. Als es klingelte, erwachte sie
wie aus einer Hypnose. Verlegen erhob sie sich.
Sie wußte selbst nicht, was mit ihr los
gewesen ist.
Solche und ähnliche Berichte könnte
man bald endlos weiterführen. Dementsprechend
sind die Auswirkungen auf das Umfeld. Ein siebenjähriger
Junge hatte als Folge dieser okkulten Experimente
Angstträume. Untertags erschien ihm als leuchtender
Anblick Maria. Angstzustände und Gedanken,
die er nicht haben wollte, überkamen ihn.
Danach betete man mit ihm ernstlich und auch er
rief um Hilfe zu dem Heiland und wurde tatsächlich
frei. Bei all den traurigen Entwicklungen ist
es tröstlich zu wissen, daß es einen
Retter und Befreier aus all diesen Verstrickungen
gibt.
Werner Kohlscheen, Leiter der MEUC, erzählte
mir, wie Gott die Türen für die Schulen
aufgetan hatte. Blumenau erlebte 1983 ein schlimmes
Hochwasser und 1984 stieg, allerdings nicht so
lange, das Wasser noch höher. Darauf erging
ein Hilferuf nach Deutschland, der solch ein Spendenecho
auslöste, daß auch den Schulen und
dem Hospital geholfen werden konnte. Die verantwortliche
Schulleiterin lud darauf als Dankeserweis die
Mission ein. Danach, auf ihre eigene Initiative
hin, wandte sie sich an die MEUC und fragte nach
Leuten, die Religionsunterricht halten könnten
und, so lautete ihre Bedingung, selber glauben,
was sie Lehren. Daraufhin stellte die Mission
Lehrer zur Verfügung, die im Laufe der Zeit
mit so viel Okkultismus konfrontiert wurden, daß
man beschloß, die eigenen Seminaristen in
diesem Bereich besonders auszubilden, damit sie
nicht hilflos diesen Phänomenen gegenüberstehen.
Solch eine massive Geisterinvasion hat natürlich
auch Auswirkungen auf die Gemeinde und die Christenheit.
Die Fragen in den Briefen von christlicher Seite
entsprechen der jeweiligen modischen Welle. Die
Sekretärin In der Korrespondenzabteilung
eines Missionswerkes berichtete mir, wie einmal
wegen des Fallens auf den Rücken, dann wegen
der Goldzähne vermehrt angefragt wurde. Diese
Wunderberichte von plötzlich auftauchenden
Goldzähnen, für einige ein Zeichen Gottes,
hatten in dem Staate Santa Catarina ihren Anfang
genommen, so daß sich die MEUC in ihrem
Blatt "Weg und Zeugnis" auch damit auseinandersetzte
und auf die okkulten Verflechtungen hinwies. Erst
gab es die Gold-, danach die Elfenbein- und zuletzt
die Silberzähne. Derzeit ist das Geisteslachen
der neue Modetrend.
Auch war ich überrascht, wie fast selbstverständlich
die dortigen Geschwister die Parallelen zwischen
Spiritismus und Pfingstbewegung beim Namen nannten.
Bei uns wird so ein Vergleich immer noch als eher
extrem betrachtet.
Eine Frau, die ein spiritistisches Medium war,
kam durch eine treue Christin zum Glauben. Sie
ging nun zur Gemeinschaft, doch man fragte sich,
ob dies die richtige geistliche Heimat für
sie sei. Es gab noch viel deutsche Prägung,
während es sich hier um eine Brasilianerin
handelte. So schlugen ihre geistlichen Betreuer
vor, sie solle die gemäßigte Pfingstgemeinde
(Assembleia de Deus) besuchen. Sie ging mehrmals
hin und erklärte: "Wenn ich das wieder
haben will, kann ich zurückkehren in den
Spiritismus".
In einem anderen Ort berichteten mir die Geschwister,
wie sich zwei Leute aus dem Spiritismus heraus
bekehrt hatten. Sie gingen zur Pfingstkirche "Assembleia
de Deus". Sie hatten das Empfinden, daß
besonders beim (Zungen)-Gebet, wenn zum Lobpreis
angestimmt wurde oder einige der Anwesenden im
Geist ruhten, sich ein Geist bemerkbar machte,
den sie vom Spiritismus her kannten. Das Erstaunliche
für mich war, daß man mir solche Fälle
praktisch unaufgefordert erzählte. Ich habe
mir bei all diesen Beispielen die Namen der Personen
geben lassen, damit es nicht den Anschein hat,
es handle sich hier um nicht verifizierbare Gerüchte
oder Sensationsgeschichten. In einem Land wie
Brasilien jedoch wird man auf diese Parallelen
fast gestoßen, sind sie fast nicht mehr
zu übersehen.
Als weitere Folge dieser Geisterinvasion ist
die charismatische Woge in ihren vielen Spielarten
unerhört am Zunehmen und fast überall
gibt es Spaltungen. Bei der Presbyterianischen
Kirche ebenso wie bei den Baptisten und Mennoniten.
Ich wurde mehrmals von den Missionaren gebeten
(ich hatte besonders in der Woche vom 5. bis 12.
Februar täglich Vorträge im Rahmen der
Gnadauer Brasilien-Mission, MEUC), über die
trennende und verführerische Wirkung dieser
Strömungen zu sprechen. Vor allem die Jugend
tendiere zu dieser neuen Form der Frömmigkeit,
die Musik und Lobpreis immer mehr in den Mittelpunkt
rückt.
Besonders eindrücklich war eine Dokumentation
der beiden großen brasilianischen Fernsehanstalten,
Globo und Manchete, zu dem Thema "Fremde
Glaubenswege". Ein Gemeinschaftsleiter hatte
diese Aufzeichnung mitgeschnitten und mir auf
Videoband abends nach der Stunde vorgeführt.
Bei dieser Dokumentation ging es in erster Linie
um die in verwirrender Fülle sich ausbreitenden
Strömungen der verschiedensten Pfingstkirchen.
So wurde erklärt, wie die Spaltungen unter
den Pfingstlern unzählige (wörtliches
Zitat) Gruppierungen hervorgebracht haben. Es
ist unmöglich, so wurde weiter erklärt,
diese Zahl der Pfingstgruppierungen zu kennen.
Die größte und schnellstwachsende wie
einflußreichste Bewegung ist die Igreja
Universal de Reino de Deus (Die universelle Kirche
vom Reich Gottes). Ihr Gründer und Führer
ist Bispo Edir Macedo. Er verfügt über
85O Kirchengebäude und behauptet, 7 Millionen
Anhänger zu haben. In Sao Paulo hat er für
45 Millionen Dollar (für brasilianische Verhältnisse
eine ungeheure Summe) eine Fernsehstation gekauft.
Diese Geldfülle ist dem Staat allmählich
suspekt und derzeit laufen mehrere Untersuchungen
bzw. Prozesse wegen Steuerhinterziehung und Erpressung.
Die Methoden, zu Geld zu kommen und den ahnungslosen
Gläubigen die Reais (die neue Landeswährung)
aus der Tasche zu ziehen, sind ebenso vielfältig
wie bizarr. Ein Prediger dieser Kirche pries ein
göttliches Haarwaschmittel für gesalbte
Haare an. "Staub der Liebe" heißt
ein anderes Produkt, das man über die geliebte
Person oder gar in ein Haus pusten soll, um eine
Atmosphäre der Harmonie und Liebe zu fördern.
Ein Blatt vom Baum des Lebens kann man ebenso
käuflich erwerben wie besonders geweihtes
Salz oder Öl, aber auch Feigenpaste. Ein
Missionar wies mich darauf hin, wie man Ähnliches
auch im Spiritismus kennt. Er meinte sogar, wie
man dies bewußt praktiziere, um die Leute
anzuziehen, weil ihnen dies von ihrem Heidentum
her vertraut ist.
Richtig schlimm ging es bei den Heilungsfeldzügen
bzw. Massenveranstaltungen in den größten
Stadien Brasiliens zu, die seine zahllosen Anhänger
problemlos füllten. Haufenweise wurden Brillen
eingesammelt und zerstört, weil man alles
Böse aus den Augen Vertrieben habe und der
wahre Glaube solche Behelfe nicht mehr nötig
habe. Als die Reporterin Edir Macedo fragte, warum
er denn selber immer noch Brillen trage, antwortete
er: "Meine Stunde ist noch nicht gekommen."
Dämonen wurden öffentlich ausgetrieben,
Menschen zitterten und zuckten konvulsivisch.
An einem Schwarzen wurde vor den Augen via Fernsehen
vor ganz Brasilien demonstriert, wie der Teufel
in die Knie zu gehen habe. Befreiungen und Heilungen
geschahen nur so im Schnellverfahren wie bei einer
Fastfoodkette. Die Leute wurden streckenweise
bis zur Hysterie aufgepeitscht und die Emotionen
durch Gesang und Massenpsychose hochgejagt. Nach
der Kollekte wurde das Papiergeld sackweise weggetragen.
Der Kommentar eines Arztes, der nur noch den Tod
bei einer Frau feststellen konnte, die sich unwohl
gefühlt hatte und geheilt werden sollte:
"Niedrigste Form des Scharlatanerie".
Es erinnerte tatsächlich mehr an ein spiritistisches
Festival, denn an eine christliche Veranstaltung.
Wie die Missionare auch klagten: Der Synkretismus
ist mit Händen zu greifen,
Zwei Wochen nach dem großen "Heilungsfeldzug"
wurde diesen Berichten und Erfolgsmeldungen nachgegangen.
Die angeblich Geheilten stellten sich nach wie
vor als krank bzw. verkrüppelt heraus. Ähnliche
Resultate kennt man ja auch von Bonnkes großen
Feldzügen mit Zeichen und Wundern. Eine Frau
berichtete sogar, wie man ihr Geld anbot, um eine
Besessene zu mimen, die dann wunderbar "befreit"
würde. Wenn sie zustimmte, könnte sie
Mitarbeiterin und reich werden. Besonders tragisch
war der Fall eines jungen Mannes, der fest glaubte,
von Aids geheilt worden zu sein. Er habe dies
ganz deutlich gespürt und diese Gewißheit
im Glauben angenommen. Als man dann sein Blut
testete und das Ergebnis HIV-positiv lautete,
weigerte er sich, dies zur Kenntnis zu nehmen.
Ein Prediger der "Deus é Amor"
(Gott ist Liebe) Pfingstkirche wurde gefragt,
wo denn in der Bibel das Pfingstwunder berichtet
werde. Er konnte dies nicht beantworten und bat,
man möge ihm abends die gleiche Frage stellen.
Natürlich ist dies ein Extremfall, doch es
zeigt die Tendenz. Der Pastor in solchen Kirchen
bzw. Gemeinden muß nicht unbedingt in der
Bibel Bescheid wissen, jedoch darin geübt
sein, wie man die Leute emotional begeistert,
mit vielen Versprechungen, vor allem Segnungsverheißungen,
bei der Stange hält und unermüdlich
zum Spenden motiviert. Hierin sind sie auch große
Könner und dementsprechend wohlhabend. Lehre
und Wort Gottes treten dabei immer mehr in den
Hintergrund zugunsten von Lobpreisstunden, musikalischer
Beschallung und Heilungsankündigungen, wo
über Bilder und Eingebungen die Erwartungen
und Gefühle aufgepeitscht werden. Man könnte
meinen, dies treffe für das nüchterne
Europa nicht zu und sei mehr ein südamerikanisches
Temperamentsproblem, doch gerade die "Toronto-Welle"
hat gezeigt, wie die Vernunft zugunsten eines
emotionalen Subjektivismus und hysterischen Gelächters
dabei ist abzudanken. Wichtig ist das gefühlsmäßige
"High" und nicht, was die Bibel lehrt.
Zwar konnte man bei den Ablegern dieser Universal
Church of Christ in den USA sehen, wie es etwas
weniger emotional zuging, doch es war offensichtlich
nur ein gradueller und kein prinzipieller Unterschied.
Der Kommentar der Journalistin, die diesen Heilungsberichten
nachforschte: "Es ist eine Ironie, daß
man die Bibel zu einer Theologie des Betrugs verwendet."
Hier hat ein Weltmensch ein verblüffend klares
Urteil gefällt und bekanntlich sind die Kinder
der Welt klüger als die Kinder des Lichts.
Ähnlich äußert sich Paulus im
2. Korintherbrief über die "Superapostel",
die er als arglistige Arbeiter und Apostel Satans
bezeichnet (11,12-13). Auf dieser Welle des Betrugs
bzw. falscher Versprechungen und unrealistischer
Erwartungen schwimmen Benny Hinn ebenso, wie die
anderen Schlüsselfiguren der "Toronto-Erweckiung",
in etwas abgeschwächter Form auch Reinhard
Bonnke.
Das Tragische bei dieser Angelegenheit ist, daß
in dem überwiegend katholischen Brasilien
nun dies alles unter die Rubrik evangelisch fällt,
und nur wenige die Voraussetzungen haben, hier
zu differenzieren. Während man sich außerhalb
von Südamerika auch in evangelikalen Kreisen
freudig die Berichte vom großen Wachstum
der Pfingstkirchen mitteilt, hat man vor Ort eher
den Eindruck eines Dammbruchs des fromm getarnten
Spiritismus.
In Brasilien gibt es auch unter den Spiritisten
eine Bewegung, die sich ganz stark sozial engagiert,
genannt LBV (Legiao da Boa Vontade, die Legion
des guten Willens). Sie betreuen 12588 Kinder
in Kinderkrippen und Schulen, 2OO OOO Bettler
und organisieren 3O,3 Millionen Essenausgaben.
Neben Reinkarnation ist ein starker Ökumenismus
zu beobachten. Jede Glaubensrichtung ist willkommen
und das einzige Dogma das sie vertreten, ist das
des "fluidizierten" Wassers. Durch Gebet
erhält danach Wasser eine Energie, die Körper
und Gedanken reinigt.
Das magische Denken ist in diesem Land ungeheuer
weit verbreitet und gerade daran knüpfen
viele Charismatiker an und haben dementsprechende
Erfolge. Ein Prediger erzählte mir, wie eine
Frau Visionen hatte, die zur Kirche Igreja do
Evangelho Quadrangular (Foursquare Gospel Church,
gegründet von Aimee McPherson, an de-ren
Grabe Benny Hinn diese besondere Ausrüstung
mit Kraft empfing. Zu dieser Kirche zählt
auch Jack Hayford, der beim Lausanner Kongreß
in Manila versuchte, die anwesenden Vertreter
unter seinen besonderen Geist zu bringen) gehörte.
Sie trug bei sich ebenso ein geweihtes Taschentuch
wie ein Karte mit dem Bild des Predigers und auf
der Rückseite das Gebet, das sie zu sprechen
hatte. Durch die Gnade Gottes durfte sie davon
ebenso frei werden wie von ihren Gesichten.
Wie schon eingangs erwähnt wurde, gibt es
trotz aller Okkultaufbrüche auch die erfreulichen
Erweise vom Sieg unseres Herrn. Die bereits erwähnte
Reha-Arbeit Cerene (Centro de Recuperangco Nova
Esperanga, Rehabilitationszentrum der neuen Hoffnung)
ist ein Geschenk Gottes. Es ist erstaunlich, wie
viele gestrandete Menschen und Suchtkranke hier
wieder neuen Halt gefunden haben und teilweise
auch ein Segen werden für andere. Auch berichteten
mir Prediger der MEUC, wie sie vor Ort Aufbrüche
erleben und viele zum Glauben kommen.
Für mich war die Gemeinschaft mit den Geschwistern
und der Austausch mit Missionaren, die ich bei
meiner ersten Brasilienreise im Jahre 1989 kennengelernt
hatte bzw. neu kennenlernen durfte, ein besonderes
Geschenk. Am 18. und 19. Februar hatte ich noch
mehrere Dienste, u.a. auch sonntags bei der deutschen
und brasilianischen Baptistengemeinde in Porto
Alegre. Am nächsten Tag ging es dann zunächst
nach Rio und von dort am 21. Februar wieder zurück
nach Hause in das kühle Deutschland.
Brasilien ist auch ein Land von streckenweiser
so atemberaubender Schönheit mit einer schier
unerschöpflichen Flora und Fauna, daß
man es nur schwer vergessen kann. Ein paarmal
war es möglich durch Wanderungen oder Bootsfahrten,
denn in diesem Land ist derzeit Sommer, etwas
von diesem Reichtum an Lebensformen zu erahnen.
Unvergeßlich wird mir auch eine Wanderung
in den majestätischen Dünen von Florianopolis
bleiben, eine Insel, an der sich ebenfalls der
Reichtum der Schöpfung verschwenderisch entfaltet.
Doch sollte ich hier besser Schluß machen,
denn wenn man erst einmal damit anfängt,
von diesem fünftgrößten Land der
Erde begeistert zu werden, reicht ein Buch nicht
aus, alle Eindrücke wiederzugeben. Doch möchte
ich nicht versäumen, mich bei all denen,
die für diese Reise gebetet haben, herzlich
zu bedanken.
Alexander Seibel