Brasilien 2002

(18. Okt. bis 18. Nov. 2002)

„Ich bin besorgt“, kommentierte ein Bruder am Telefon das Wahlergebnis. Am Sonntag den 27. Oktober war in Brasilien Wahltag. Das Rennen machte Luiz Inácio Lula, der aus dem linkssozialisti-schen Spektrum kommt. Nach dem vierten Anlauf hatte er die Wahl zum Präsidenten Brasiliens geschafft. Fidel Castro reagierte hocherfreut und meinte: „Brasilien braucht keine Hilfe. Lula ist weise genug.“

Als Lula noch Angestellter in einer großen Firma war, war er noch voller Ablehnung gegenüber den Christen. Dabei sind etliche seiner Verwandten gläubig und stehen in Verbindung mit den Pfingstgemeinden. Dort, so wurde mir berichtet, muß er allerdings so schlimme Erfahrungen gemacht haben, daß es bei ihm, jedenfalls damals, in tiefen Haß gegen alles Christliche umschlug. Inzwischen ist er allerdings schon viel moderater geworden, macht jede Menge Versprechungen und hat so viel Kreide geschluckt, daß auch etliche fromme Kreise meinten, mit ihm komme nun ein Wechsel zum Besseren und man könne ihn ruhig wählen.

Nun jedoch geht die Sorge um, daß er womöglich im ethischen Bereich solche Gesetzesänderungen veranlassen kann, die, ähnlich wie in Deutschland nach rot-grüner Machtübernahme, das moralische Klima deutlich zu ändern vermögen. Zu befürchten ist vor allem eine neue „Toleranzwelle“ gegenüber den Homosexuellen. Denn auch hier in Brasilien zeichnet sich eine Untergrabung traditioneller christlicher Werte ab und der Angriff auf die Familie könnte durch diesen neuen Präsidenten durchaus in eine heißere Phase gehen.

Diese Furcht dürfte nicht ganz unberechtigt sein. Am 7. Nov. zeigte das Unterhaltungsprogramm des Fernsehkanals Globo am Vormittag, wie sich ein Mann als Braut kleidete, schminkte und in Vorbereitung seiner Hochzeit versuchte, eine Frau zu imitieren. Offensichtlich soll das Publikum an solche Geschmacklosigkeiten und Perversionen gewöhnt werden. Und dazu gibt es kein besseres Medium als das Fernsehen.

Es wirkte abstoßend und widerlich, doch gerade diese Einstellung wird heute offiziell als „homophob“ gebrandmarkt. Wenn die derzeitige rot-grüne Regierung mit ihrem „Minderheitenschutz“ und besonderer Hofierung der Homosexuellen so weiter macht, werden solche Empfindungen bald therapiert werden müssen; so lange, bis das Normale als pervers und das Perverse als normal empfunden wird. „Ihre Ehre ist in ihrer Schande“ (Phil. 3,19), sagt die Bibel.

Den Kult, den der Westen derzeit mit den Homosexuellen treibt, kann man nur als geisteskrank diagnostizieren. Es zeigt überdeutlich, wie sehr wir schon von Gott dahingegeben sind und wie wir in einem Schlamm von Dekadenz und moralischem Unrat versinken (Judas 13). Leider muß man weltweit beobachten, daß linke Ideologie (aber nicht allein diese, sondern generell die Habgier des Menschen) die Länder nicht nur in den wirtschaftlichen Bankrott führt, sondern auch in Sachen Demoralisierung eines Volkes sind diese moralischen Bankrotteure einsame Weltmeister.

Ich muß bekennen, daß ich länger überlegt habe, das Folgende niederzuschreiben. Was ich von der charismatischen Bewegung und ihren vielen Verästelungen halte, hat sich ja inzwischen herum -gesprochen. Zwar gibt es von dieser Strömung Legionen von Mutationen, doch es ist immer noch dieselbe Spezies. Auch habe ich in meinen früheren Rundbriefen, besonders in den Reiseberichten von Brasilien, die Parallelen zwischen Spiritismus und charismatischen Phänomenen, die hier mir Händen zu greifen sind, oft genug erwähnt. Eine Parallele, die ich hier erst gar nicht andeuten mußte, sondern mir einige Geschwister mit zum Teil drastischen Worten und Beispielen schilderten.

Am 26. Oktober traf ich in Curitiba, der Hauptstadt des Bundesstaates Parana, mit zwei Brüdern zusammen, von denen besonders einer oft unterwegs ist, um vor den pseudo-charismatischen Phänomenen zu warnen. Sie erzählten teilweise erschütternde Begebenheiten. Auf meine Frage, warum er sich so sehr in diesem Dienst der Warnung engagiere, antwortete mir Peter Unruh, wie sogar die noch Unbekehrten von den Charismatikern angegangen werden. Während noch evangelistische Bibelstunden abgehalten werden, um die Menschen für den Herrn Jesus zu gewinnen, kommen diese Leute und erklären, wie in solchen Kreisen der Heilige Geist nicht vorhanden sei, denn es fehlen ihnen die Gaben des Geistes, vorab das Zungenreden. Weil hier Menschen bedrängt und verwirrt werden, die noch auf der Suche sind und so vom Glauben abgehalten werden, deswegen beschloß er, die Christen vor diesen Bewegungen mit ihren vielfältigen Erscheinungsbildern zu warnen.

Brasilien ist ein Land, wo man in relativ kurzer Zeit die unglaublichsten und sonderbarsten Geschichten hören kann. Besonders im Rahmen der „Geistlichen Kampfführung“ könnte man eine bizarre Episode nach der anderen berichten. Zutiefst magische Handlungen werden im Namen Jesu vorgenommen. Manchmal könnte man fast meinen, man habe Kurse mit Harry Potter belegt.

Öfters wurde auch die G-12 Bewegung und ihre Auswirkungen zur Sprache gebracht. Worum handelt es sich da? Diese vor allem in Südamerika einflußreiche Strömung zieht immer größere Kreise. Nach jüngsten Meldungen sollen auch schon in Berlin Kurse angeboten werden. Sie hat ihre Ursprünge in Kolumbien, kam dann nach Brasilien und verbreitete sich da sehr rasch und erfolgreich. Den Namen leitete man von Jesu Modell der Berufung von 12 Aposteln ab. Cezar Castellano ist der Gründer der G-12 Bewegung. Ursprünglich stammt das Modell aus der Hauskreis- oder Zellbewegung von Yonggi Cho, an das Cezar Castellano eine Menge angefügt hat. Ein Kurs von drei Tagen wird abgehalten, es werden Dämonen ausgetrieben, Versatzstücke aus praktisch allen Kulten appliziert. Wer seine Lehre nicht akzeptiert, muß die Gemeinde verlassen Wie man mir buchstäblich landauf landab klagte, gibt es in dieser Strömung nicht nur extreme Formen charismatischer Phänomene, sondern stark praktiziert wird auch die Technik des Visualisierens. Probleme, die wir heute haben, gehen angeblich zum Teil bis auf innere Verletzungen im Mutterleib zurück. Um diese „Traumata“ zu heilen, nimmt man Visualisierungen und Regressionen bis in den Mutterschoß vor. Es sind dies allerdings nicht neue Erkenntnisse, sondern uralte Praktiken der Schamanen.

Im Zuge der G-12 Bewegung nun, die besonders vor einigen Jahren noch viele Spaltungen bewirkte, salbt man als neueste Erkenntnis, um sexuelle Sünden zu verhindern, die Genitalien der Männer und Frauen mit Öl. Auch zieht man sich für einige Tage in dunkle Zimmer zurück.. Ich muß gestehen, daß ich etwas gezögert habe, obiges zu erwähnen, doch über diese besondere „Ölung“ berichtete sogar die Zeitschrift eclésia, August 2000. Wir leben leider in solch verrückten Tagen moralischer Dammbrüche und vermehrter Geisterinvasion, daß leider bald schon jede Spinnerei auch in frommen Kreisen anzutreffen ist. Wer darüber schockiert ist, möge es mir nachsehen. Mir wurden noch mehr Details erzählt, die man aber so einem Bericht besser nicht anvertraut.

Sehr populär in Brasilien ist die Pastorin Valnice Milhomens, Leiterein der „Ïgreja Nacional do Senhor Jesus Cristo“. Sie wirkte vor einigen Jahren als Missionarin in Afrika. Dort erklärte ihr ein Pastor, wie mittels eines besonderen Schlüsselwortes die Leute garantiert lernen könnten, in Zungen zu reden. Er wisse zwar nicht, was das Wort bedeute, doch es funktioniere. Zurückgekehrt nach Brasilien, hielt sie Kurse im Rahmen der G-12 im ganzen Lande vor Predigern und Pastoren und brachte ihnen diese Methode bei. Angestoßen durch jenes besondere Schlüsselwort, stellt sich unweigerlich dieses „Charisma“ ein. Dieses Wort lautet Shambhala.

Peter Unruh erzählte auch, wie er einmal vor ca. 2000 Besuchern einer Nazarenergemeinde in Campinas bei Sao Paulo die Frage stellte, ob sie schon einmal das Wort Shambhala gehört hätten? Darauf hob ca. ein Drittel der Anwesenden die Hände und gab zu, wie sie dieses Wort gebrauchen, um das Zungenreden zu beginnen. Darauf erhob sich der verantwortliche leitende Pastor dieser Gemeinde und sagte, „wir machen es weiter so“. Danach spaltete sich die Gemeinde. Shambhala nun ist ein mythisches Königreich, eingebettet in den tibetischen Buddhismus, aus dem am Ende der Tage das gol-dene Zeitalter hervorgehen soll. Eine Art New-Age-Gegenstück also zum messianischen Friedensreich.

Besonders tragisch war für mich der Bericht von Mario Hort, der seit Jahrzehnten im Süden Brasiliens im Segen evangelisieren und etliche Gemeinden gründen durfte. Was er erzählte, bzw. in seinem Gemeindeverband erlebte, hörte sich für mich wie eine Neuauflage der Ereignisse an, die vor fast hundert Jahren in Form des Feuers von Los Angeles die deutsche Gemeinschaftsbewegung heimsuchte. Als ich ihm den Kommentar zur damaligen Situation zitierte, „die Gemeinschaftsbewegung sah aus wie ein Weizenfeld nach Hagelschlag“, nickt er nur. Er hat all diese traurigen Auseinandersetzungen buchstäblich am eigenen Leibe erfahren. Nichts Neues unter der Sonne und wie tragisch, daß sich dieselben Fehler immer wieder und immer häufiger wiederholen.

Mehr denn je gibt es heute wohlmeinende Geschwister, die von der Sehnsucht nach Einheit erfüllt sind. „Laßt uns doch aufeinander zugehen und endlich den unseligen Streit zwischen Evangelikalen und Charismatikern begraben.“ Eine eigene Initiative wurde dazu in Deutschland gegründet, um diesen unnötigen Graben, wie sie meinten, zuzuschütten.

Wer solchem Wunschdenken anhängt, dem sei ein Besuch im Land der Spiritisten, nämlich Brasilien, von Herzen empfohlen. Um die nichtcharismatischen Kreise infiltrieren zu können, gibt man sich bei Gesprächen auf Allianzebene besonders moderat und freundlich und zeigt sich ebenfalls besorgt über Exzesse und Spaltungen. Doch es ist ein Geist, der sich systematisch nach vorne drängt und erst zufrieden ist, wenn er die erste Geige spielt.

Begonnen hat alles damit, so Pastor Hort, daß eine Pfingstlerin über einem Mitarbeiter einer evangeli-kalen Gemeinde die Weissagung aussprach, er werde seinen Gemeindeverband erneuern. Natürlich hat sie zum Empfang der „Kraft“ ihre Hände aufgelegt, was in der Bibel im Zusammenhang mit Frauen nie berichtet wird. Danach gelang es diesem „Geistgesalbten“, eine Gefolgschaft um sich zu scharen. Gemeinsam zog man von Haus zu Haus und begann Dämonen auszutreiben. Dies führte dazu, daß ein großer Teil der Prediger dieses Gemeindeverbands sich auch dieser „neuen Offenbarung“ öffnete. Allerdings mußten inzwischen viele dieser „begeisterten“ Männer bereits ihre Gemeinden verlassen.

All dies verschlimmerte sich noch, als diese beiden besonderen „Gabenträger“ in Verbindung mit der G-12 Bewegung kamen. Es sieht so aus, als ob diese Bewegung in fast alle kirchlichen und freikirchlichen Verbände einzudringen vermag. Nicht nur das ganze Spektrum der charismatischen Gemeinden, auch die klassischen Freikirchen von Baptisten bis Mennoniten sind vor diesen Infiltrationen, zum Teil jedenfalls, nicht mehr gefeit. Irgendwie hat man den Eindruck, daß das Immunsystem der Christen streckenweise schwer angeschlagen ist.

Bei diesen G-12 Kursen mußte man sich verpflichten, sich mit niemandem über seine Erfahrungen auszutauschen. Über klassische Gesetze der Gruppendynamik und des Psychodrucks werden die Teilnehmer zu einer knetbaren Masse umfunktioniert und systematisch für den Empfang eines fremden Geistes konditioniert. Die Prediger bzw. Teilnehmer dürfen die drei Tage, so lange die Retraite dauert, nicht miteinander sprechen, auch auf der Toilette nicht. Am letzten Tag, während die schönsten Lieder bei so dröhnender Musik gespielt werden, daß der Verstand abschaltet, werden von allen Predigern und Mitarbeiten die Dämonen ausgetrieben. Es wird ihnen der Finger in den Nacken gedrückt, um sie dadurch zu Boden zu werfen. Nach diesem Exorzismus ist für sie offenbar alles neu geworden.

Damit hat sich eine Art Paradigmenwechsel eingestellt und nun versucht man, diesen „Segen“ auch in die anderen Gemeinden zu tragen und sie im Sinne der Nova Era, des neuen Geistesaufbruchs, umzufunktionieren. Teilweise wurde man so fanatisch, daß man in den Wald ging und so laut betete bzw. schrie, daß sogar die Weltmenschen entsetzt waren, denn die Leute ertrugen es kaum noch, auf dem Sportplatz abends zu spielen und gleichzeitig das Geschrei im Dschungel nebenan zu hören. Man schrie so lange in den dunklen Wäldern, bis Zweige zu leuchten begannen. Diese wurden dann als Erweis der Gegenwart Gottes in die Häuser getragen. Danach machten sich ebenso Angstzustände wie Streit bemerkbar.

Das Ergebnis: Die Gemeinden werden zerrissen und zertrümmert, die Spaltungen und Entzweiungen gehen bis in die Familien hinein. Zum ersten Mal in der Geschichte dieses evangelikalen Gemeindeverbands wurde diese Versammlung nach 77 Jahren der Missionstätigkeit in Brasilien vor Gericht gezogen, ausgerechnet durch den Pastor, dem, wie oben erwähnt, eine Frau aus der Pfingstbewegung die Hände aufgelegt hatte.

Dies wurde mir übrigens mehrmals geklagt, wie sich Menschen nach Handauflegungen verändern können. So erzählte ein Bruder, wie die Gläubigen nach dieser „Segnungshandlung“ zu lügen anfingen. Andere berichten von geistlichen Problemen der verschiedensten Art. Viele kommen aus der Assembleia de Deus, einer Pfingstgemeinde, die schon eher als gemäßigt gilt, und wollen Befreiung, weil sie seit der empfangenen Geistestaufe besondere Schwierigkeiten haben. Einige hören Stimmen, andere haben mit Depressionen zu kämpfen. Im Zusammenhang mit schwarmgeistigen Aufbrüchen wurde dies immer wieder beobachtet. Allerdings wird von den meisten Predigern in den europäischen Breitengraden eine solche Auswirkung dieser doch so biblischen „Segnungshandlung“, der Handauflegung, nicht für möglich gehalten.

Der Fanatismus der charismatisch angehauchten Gläubigen ist zum Teil so groß, daß allein In Rio 430 Gemeinden bzw. Versammlungsräume geschlossen wurden, die in Wohngebieten lagen. Bei ihren „Anbetungen“, aber besonders bei Teufelsaustreibungen wurde so laut geschrieen, daß sich die Nachbarn beschwerten und die Polizei einschreiten mußte.

Hier gibt es haarsträubende Geschichten in Hülle und Fülle und man kann längst nicht alles berichten. Auch wollte ich mich eher zurückhalten. Nach all diesen Beobachtungen und weil sich die vielen Weissagungen von der großen Erweckung nicht erfüllt haben, wie zum Teil nun auch in Deutschland von den eigenen Leuten eingestanden wird, komme ich immer mehr zu der Überzeugung, wie diese „geistesmächtigen“ Strömungen eine Neuauflage von 1. Kön. 22,23a sind. „Der Herr hat einen Lügengeist in den Mund aller deiner Propheten gegeben“. Dies ist der wahre Geist der heutigen Propheten und Apostel.

Noch tragischer ist der Kommentar eines Bruders, der hier schon Jahrzehnte gewirkt und Gemeinden gegründet hat. Es sei schwierig für Gläubige, die das Evangelium kennen und später in eine Großstadt ziehen, eine Gemeinde zu finden, wo man geistlich gesund ernährt wird. Will man sich einer Gemeinde anschließen, werden einem gleich Dämonen ausgetrieben. Die Menschen, die Gott suchen oder im Glauben wachsen wollen, sind dann oft genug von Ängsten und psychischen Problemen geplagt und sehnen sich nach normaler Wortverkündigung.

Um einen besonderen Segen zu empfangen, wird auf die Gottesdiensteilnehmer ein beständiger Druck ausgeübt, daß sie bereit sind, alles herzugeben. Hab und Gut, manchmal sogar wertvolle Kleidungsstücke, Eheringe und Pullover und auch Wertsachen werden ihnen abgenommen. Diese „Opferaufrufe“ für Sachspenden sind derzeit besonders in Argentinien beliebt, denn dort haben die Leute kaum noch Geld zu geben.
Ich zitierte einen Bruder aus dem Ruhrgebiet mit folgender Aussage: „Drei charismatische Gemeinden müßten sich verpflichten, eine psychiatrische Klinik zu bauen.“ Darauf sagte Mario Hort, es sei dies das Beste, das er seit langem gehört habe. Er erzählte danach, wie er in der psychiatrischen Klinik in Rondon Gottesdienste durchführte. Dies wirkte sich sehr positiv auf die Patienten aus. Danach kamen die Pfingstler und wollten ebenfalls Gottesdienste halten. Kurz darauf verbot der Direktor vom Krankenhaus alle geistlichen Dienste, weil die Patienten nach diesen charismatischen Gottesdiensten eine doppelte Dosis an Medikamenten zur Ruhigstellung benötigten. Nur an Pastor Mario trat man mit der Bitte heran, die Gottesdienste wieder zu halten.

Mario erzählte auch, wie Leute ausgebrannt oder verbrannt sein können. Ich fragte ihn, was er damit meinte. Sein Kommentar: Wenn Leute solche Phänomene wie Umfallen, Zittern, ekstatisches Zungenreden und andere Übertreibungen im geistlichen Leben erfahren haben, dann können sie manchmal auch nach Jahren nicht mehr den nüchternen Glaubenswandel führen. Sie sind praktisch nicht mehr imstande, vom Wort sich geistlich zu ernähren. Man braucht ständig neue Sensationen. Sie wirken wie emotional verbrannt.

Mehr denn je wurde mir bewußt, wie sehr die Gründung der Bekehrten auf die Schrift und auch die klare Warnung vor gewissen Strömungen und Lehren besonders wichtig ist. In unseren Tagen des Triumphs des Falschen und der zunehmenden Geisterinvasion kann dies gar nicht stark genug betont werden. Sonst muß ein Pastor buchstäblich zusehen, wie seine geistlichen Kinder und selbstgegründeten Gemeinden vor den eigenen Augen verschlungen werden (1. Petr. 5,8). Wer dies für übertrieben hält, der soll bitte diesen südlichen Teil Brasiliens besuchen.

Doch wie war es zu diesem Besuch überhaupt gekommen? Martin Kahl von der Marburger-Mission, den ich bei meiner letzten Reise in dieses fünftgrößte Land der Erde kennenlernte, hatte für mich eine Vortragswoche in der Hauptstadt Paranas vorbereitet.

Diese Woche in Curitiba war wirklich ein Geschenk. Es gab eine solch dankbare Abnahme, wie man sie sich als Verkündiger eigentlich nur wünschen kann. Vielfach wurde die Bitte von verantwortlichen Pastoren und Gemeindeleitern ausgesprochen, ich solle doch wieder kommen. Jene Verkündigungstage waren im Rahmen der Mennoniten Brüdergemeinden organisiert worden. Diese luden alle deutschsprachigen Gemeinden in Curitiba ein und aus diesen verschiedenen Kreisen kamen dann auch etliche Besucher. Die Predigten wurden alle ohne Übersetzer gehalten und ich mußte mir immer wieder neu vor Augen stellen, langsam und deutlich zu sprechen. Am Sonntag war das große Gemeindehaus mit ca. 400 Besuchern praktisch voll besetzt. Gerade an diesem Tage hatte der treue Herr Jesus Kraft und Gnade geschenkt, Menschenherzen anzurühren. Ich betonte das Thema Heilsgewißheit und das fand ein sehr dankbares Echo. Wie Martin Kahl, mein Gastgeber meinte, sei dies besonders wichtig gewesen. Doch auch der Vortrag „Was war die Lästerung des Heiligen Geistes?“, war für viele Geschwister von großer Hilfe.

Ich erwähne dies vor allem deshalb, um klar zu machen, daß dies nicht mein Verdienst ist, sondern ich merkte die Gebete der vielen, die wiederum treu an diese Zeit in Brasilien gedacht haben. Ihnen gilt mein ganz besonderer Dank.

Von Curitiba ging es nach einer Woche weiter nach Rondon, das im Westen des Bundesstaates Parana liegt, nicht mehr allzu weit von den berühmten Iguacu-Wasserfällen entfernt. Dort traf ich Pastor Mario Hort und er war es, der mir so manches Leid klagte, was mich auch veranlaßt hat, länger über diese schwarmgeistigen Verwirrungen zu schreiben. Auch diese Woche war getragen von des Herrn Gnade und erneut möchte ich allen Betern meinen herzlichen Dank aussprechen.

Danach hatte ich Verkündigung und Evangelisation im Rahmen der Gnadauer Brasilien-Mission. Zum Teil waren es vertraute Gefilde und es gab manches herzliche Wiedersehen mit lieben Geschwistern, die im Süden Brasiliens so eine gesegnete Arbeit leisten. So saß mir in Pomerode bei einer festlichen Veranstaltung am Tisch ein junges Pärchen gegenüber, das glücklich und erlöst aussah. Doch beide kamen aus der Drogenszene und waren durch die Arbeit von CERENE (eine Arbeit des Gnadauer Zweigs unter den Rauschgiftsüchtigen und Alkoholabhängigen) zum Glauben gekommen. Es ist immer wieder ermutigend, um nicht zu sagen glaubensstärkend, zu sehen, wie der Erlöser Jesus Christus auch scheinbar hoffnungslose Fälle zu verwandeln und Menschen wunderbar zu erretten vermag.

Doch auch Armut macht sich breit und ist für die Gläubigen eine Herausforderung. Wohlstand ist hier ein begehrtes Ziel und man bringt dafür manche Opfer. Da es keinen Bafög für Studenten gibt, wird tagsüber gearbeitet und am Abend belegt man die Hochschul- und Weiterführungskurse. Um mehr verdienen zu können, sind oft beide Eltern erwerbstätig, gleichzeitig fordern die Betriebe immer mehr Leistung. Ähnlich wie in den ehemaligen Ländern des Ostblocks wird in drei Schichten gearbeitet. Als Resultat, haben die Familien immer weniger gemeinsame Zeit füreinander. Wenn der eine Teil frei hat, muß der andere arbeiten und umgekehrt. Man lebt aneinander vorbei und viele Ehen zerbrechen. Da es in Brasilien weder Kindergeld noch Sozialhilfe gibt, greift öfters Elend und Armut um sich.

Hier versuchen die Gemeinden betroffenen Geschwistern zu helfen. Man sammelt Lebensmittel, Kleidung und manchmal auch Geld, um den armen Gliedern am Leib Jesu einen Liebesdienst erweisen und helfen zu können. Dies ist auch eine immer größer werdende Herausforderung für die Kinder Gottes. Bedrückend ist auch die Zunahme von Kinderschwangerschaften. Manchmal sind es sogar schon Zehnjährige. Ohne göttliche Perspektive schlittern Minderjährige und Teenager schon früh in Sex und Drogen hinein und sind dabei, ihr Leben in jungen Jahren kaputtzumachen. Insofern war es bewegend, bei einem besonderen Gottesdienst in der größten Baptistengemeinde Südamerikas, nämlich der von Nilson Fanini, die Zeugnisse zweier Jugendlicher zu hören, wie sie durch die Kraft des Evangeliums frei geworden sind von Rauschgift und nun Jesus nachfolgen.

Die katholische Kirche ist hier im großen und ganzen kein Thema. Wenn man sie als die größte und gefährlichste Sekte bezeichnet, erfährt man überwiegend noch zustimmendes Kopfnicken. Dementsprechend schockiert waren einige Brüder, als sie die Anbiederung führender Evangelikaler in Deutschland an diese Kirche zur Kenntnis nehmen mußten. Ein Bruder meinte sogar wörtlich, „man fühlt sich verraten“. Vielleicht sollte man diesen ökumenefreundlichen Evangelikalen und besonders der Zeitschrift Aufatmen das Zitat von Dr. Martin Lloyd-Jones ins Stammbuch bzw. ins Vorwort schreiben: „Laßt mich euch feierlich warnen. Falls ihr euch über diese Annäherungen an Rom freut, verleugnet ihr das Blut der Märtyrer.“

Die letzte Etappe brachte Catherine und mich nach Rio, wo ich wieder eingeladen war, in der Bibelschule von Nilson Fanini zu unterrichten. Auch hier gab es große Wiedersehensfreude und so gutes Echo, daß mehrmals die Bitte ausgesprochen wurde, doch wiederzukommen. .

So möchte ich auch diese einen Monat dauernde Reise, die fast nach optimalen Wunschvorstellungen verlief, voll Dankbarkeit beschließen. Dankbarkeit gegenüber unserem treuen Herrn und Erlöser Jesus Christus für seine Führungen und Bewahrungen auf den vielen Wegstrecken, Busreisen, Flügen usw. Doch darf auch nicht vergessen werden, daß dies alles kein Verdienst ist, sondern die Antwort auf die Gebete vieler treuer Geschwister.


Alexander Seibel


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