Jesus der Sinne oder Jesus des Wortes?

In Johannes Kapitel 6, die Verse 1- 14 wird geschildert, wie der Herr Jesus fünftausend Menschen übernatürlich ernährt. Die Menge ist von diesem Speisungswunder, das bei Johannes bewußt Zeichen genannt wird (Vers 14), nicht nur sehr gesättigt, sondern auch restlos begeistert. Sie wollen Jesus zum König machen. Ganz offensichtlich, wenn dieser Mann regiert, gibt es keine Krise der Krankenkassen mehr (Vers 2), dann werden die Kranken geheilt und die Hungrigen gesättigt. Fazit, für das körperliche und leibliche Wohl ist bestens gesorgt, wenn Jesus König wird.

Doch er zieht sich zurück (Vers 15). Warum? Er ist doch der König der Juden und wäre es nicht wunderbar, wenn Israel seinen Messias annähme? Er ist doch für sein Volk gekommen und endlich scheint es die Menge verstanden zu haben, dass Jesus der Messias, der König ist. Warum entweicht er dann vor ihnen?

Zunächst kann man hier bereits erkennen, dass sich der Herr nicht vor ein politisches Programm spannen läßt. Wenn z.B. in unseren Tagen versucht wird, gemeinsam mit der UNO die Welt zu verbessern, darf man sicher sein, dass sich der Herr zurückzieht, so gut die Absichten auch sein mögen.

Den wahren Grund nun, warum Jesus weggeht, offenbaren die nachfolgenden Verse dieses Kapitels bei Johannes. Er war ihr Brot- aber nicht ihr Herzenskönig. Der Herr möchte seinen Nachfolgern die wahre geistliche Bedeutung dieses Speisungswunders, eigentlich Zeichens, aufzeigen. Es geht um viel mehr, als nur das äußere Wohlbefinden. Schafft euch Speise, die nicht vergänglich ist, sondern die bleibt zum ewigen Leben. Die wird euch der Menschensohn geben; denn auf dem ist das Siegel Gottes des Vaters (Vers 27) .

Es geht nicht primär um die vergängliche, sondern um die ewige Speise. Das Evangelium hat mit anderen Worten Vorrang vor allem sichtbaren Wohlergehen. Das äußere Wunder der Brotvermehrung soll auf etwas viel Tieferes hinweisen, nämlich, dass Jesus geistlich das Brot des Lebens ist (Vers 35). Wenn dies nicht verstanden wird, kann man nicht nur an den Zeichen und Wundern in Form des Essens daran teilgenommen und sie auch gesehen und bezeugt haben und dann dennoch vom Herrn sich abwenden, wie es ja tatsächlich geschah. Und obwohl er solche Zeichen vor ihren Augen tat, glaubten sie doch nicht an ihn  (Kap. 12,37). Ja, man kann sogar wie Judas Zeichen und Wunder im Namen des Herrn getan haben und dennoch abfallen (Kap. 6,70).

Es geht darum, dass verstanden wird, wie diese sichtbaren Wunder nur ein Wegweiser für die wahre Bedeutung sind. So erklärt der Herr, wie er das Licht der Welt ist und er heilt den Blindgeborenen. Ich bin die Auferstehung und das Leben behauptet Jesus und unterstreicht die Wahrheit dieser Aussage mir der Auferweckung des Lazarus. All diese Wunder waren in diesem Sinne Zeichen, also über sich hinausweisend, nämlich auf das Wort Jesu. Daß er geistlich das Brot des Lebens, Licht der Welt und die Auferstehung und das Leben ist mit dem Ziel, dass sie seinem Wort glauben. Darin gipfeln alle Wunder und Zeichen, wie gerade dieses Evangelium so eindrücklich aufzeigt. Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Das ist Gottes Werk, daß ihr an den glaubt, den er gesandt hat (Vers 29; siehe auch Kap. 20,31). Sonst müsste man annehmen, dass auch heute noch die Blinden regelmäßig sehend und die Toten lebendig werden.

Doch anstatt nun echt an ihn zu glauben, fragen sie wiederum nach einem Zeichen. Da sprachen sie zu ihm: Was tust du für ein Zeichen, damit wir sehen und dir glauben? Was für ein Werk tust du? (Vers 30). Dies offenbart bereits, dass sie die geistlichen Zusammenhänge nicht begriffen haben und in gewisser Hinsicht zeichen- und wundersüchtig geworden sind. Sie wollen sehen und dann glauben, doch der biblische Weg ist gerade umgekehrt. Erst  kommt der Glaube und dann das Schauen (Joh. 11,40). Selig sind, die nicht sehen und doch glauben! Heißt es gegen Schluß dieses wunderbaren Evangeliums (Joh. 20,29).

In Vers 35 von Joh. 6 erklärt nun Jesus, wie das Kommen zu ihm die Antwort auf Hunger, also essen bedeutet, und der Glaube an ihn das Stillen des Durstes, also trinken impliziert.
Jesus aber sprach zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.

Und so spricht er nun anschließend davon, wie man sein Fleisch essen und sein Blut trinken muß um geistlich zu leben. Mit anderen Worten, nicht das äußere Wunder, sondern die innere Haltung ist entscheidend. Jesus soll ihr inneres Licht, ihr innere Speise und wirklicher Herr und König des Herzens sein. Sonst, so erklärt er, hat man nicht Leben in sich (Vers 53).

Doch zu dieser Erkenntnis können die meisten sich nicht durchringen und sie beginnen zu murren (Vers 41). Sie wollen einen Jesus, der ihre Sinnesorgane anspricht und ihnen äußerlich hilft, sie heilt und nährt, nicht aber unbedingt der wahre Herr ihres Herzens sein muß, der ihr inneres Wesen regiert. Schon in Joh. 2, lesen wir: Als er aber am Passafest in Jerusalem war, glaubten viele an seinen Namen, da sie die Zeichen sahen, die er tat. Aber Jesus vertraute sich ihnen nicht an; denn er kannte sie alle (Verse 23-24).

Gerade diese Stelle zeigt auf, wie zwischen einem errettenden Glauben und einem „Glauben“, der durch die äußeren Sinnesorgane gespeist wird, ein himmelhoher Unterschied besteht. Der echte Glaube schenkt sich gegenseitig, so wie der Herr sein Leben, nun tatsächlich sein Fleisch und Blut, für uns am Kreuz gegeben und in gewisser Hinsicht sich uns geschenkt hat. Zwar glaubten viele Juden an Jesus, doch er vertraute sich ihnen nicht an.

Der Begriff Glaube ist ein Schlüsselbegriff bei Johannes und steht dort 98mal. Doch gerade auch dieses Evangelium belegt, wie wir soeben gesehen haben, wie zwischen Glaube und Glaube ein heilsentscheidender Unterschied bestehen kann. Auch Nikodemus „glaubte“, weil er Zeichen und Wunder gesehen hatte (3,2), dennoch wird ihm von Jesus bescheinigt, dass er geistlich tot ist und von neuem geboren werden muß. Diese neue Geburt aber geschieht durch echte Übergabe an den Herrn und den Glauben an sein vollbrachtes Werk, wie es Johannes im dritten Kapitel ja so eindrücklich aufzeigt. Anders gesagt, vor allem das vorbehaltlose Vertrauen in sein Wort (Joh. 5,24), was nun tatsächlich errettender Glaube bedeutet, nicht primär das sichtbare Bezeugen von übernatürlichen Phänomenen, bewirkt die geistliche Erneuerung. Ein „Glaube“ der durch die Sinnesorgane gespeist wird, stellt sich oft als Unglaube, ja sogar Rebellion heraus. So sagt der Herr Jesus den bekannten Satz, Ihr habt den Teufel zum Vater, und nach eures Vaters Gelüste wollt ihr tun (8,44) denen, die an ihn glaubten (8,31).

So auch hier, in Kapernaum, wo Jesus diese Rede hält und nicht weit davon die Tausenden gespeist hat, erklären diese „Nachfolger“: Das ist eine harte Rede, wer kann sie hören? (6,60). Sie waren im Sichtbaren stecken geblieben und es wird die geistliche Bedeutung für sie zum Ärgernis.

Der Herr Jesus kommentiert diese Einstellung in Vers 63 mit wenigen Worten: das Fleisch nichts nütze ist. Anders gesagt, was mich über die äußeren Sinnesorgane ansprechen mag, berauschende Musik, schön Düfte, prächtige optische Eindrücke, alles, was z.B. die katholische Kirche im Übermaß anzubieten hat, ist für die wahre Nachfolge nicht brauchbar. Doch auch in den charismatischen Strömungen finden man zunehmend ein reichliches Sinnenangebot. Und besonders die „segnende“ Handauflegung vermittelt noch zusätzliche sinnliche Eindrücke.

Es gibt heute in vielen Ländern der Dritten Welt große Scharen von „Nachfolgern“ bzw. „Jüngern“, denen Jesus als Heiler und Beglücker der äußeren Empfindungen vorgestellt wird. Dementsprechend ist die Zahl dieser „begeisterten Anhänger“ groß bis riesig. Der Christus  des Wohlstandsevangeliums entspricht genau dem Jesus, den die Juden damals zum König machen wollten. Ein Jesus, der den alten Adam mit Gesundheit und Nahrung versorgt, all das also, was der Mensch für ein schönes Leben hier haben möchte. Ein Erlöser, der einen gesund macht und beruflichen Erfolg garantiert. Wer möchte da nicht glauben? Doch wie schon gesagt, der wahre Messias zieht sich zurück und es bleibt der andere, der falsche Jesus (2. Kor. 11,4).

Doch auch in unseren Landen wird ein heilender Jesus immer beliebter. So wird in einem sehr erfolgreichen „christlichen“ Buch, Jesus als der größte Heiler aller Zeiten vorgestellt, der auch heute noch über die größten Heilungsenergien aller Zeiten verfüge. Wie zur Zeit Jesu ist die Schar der Anhänger und Nachfolger dementsprechend beindruckend.

Auch findet man in unsren Reihen immer mehr einen Wohlfühl-Jesus, der mit Klatschen und Tanzen freudig gefeiert wird, die Sinnesorgane „beglückt“ und dementsprechend ist die Begeisterung bei unserer vom Bild geprägten Generation groß bis überschwänglich. Der Lobpreis scheint manchmal kein Ende nehmen zu wollen.

Benedikt Peters stellt in seinem Kommentar zur Offenbarung des Johannes fest: Es werden uns die Gründe genannt, warum der Himmel jubelt: dreimal steht ein erklärendes "denn". Das zeigt uns, daß Anbetung immer begründet ist. Sie wird durch Erkenntnis des Wesens, der Wege und der Werke Gottes geweckt. Das ist sehr wichtig in einer Zeit, da immer mehr Christen heidnische Vorstellungen von Anbetung haben: Sie denken, anbeten heiße, sich in erhabene Gefühle hineinzusteigern, sich durch äußerliche Stimulantien wie entsprechende Musik, Händeklatschen, Tanzen usw. in eine besondere Stimmung hineinversetzen zu lassen. Das ist vollständig heidnisch. So dienen etwa Hindus oder muslimische Derwische ihren Göttern. Nicht aus Umständen oder Gefühlen, sondern von Gott selbst, geht der Anstoß zur Anbetung aus (Geöffnete Siegel, Schwengeler-Verlag, S. 130-131). 

Im Informationsdienst der Österreichischen Evangelischen Allianz heißt es unter der Überschrift „Wenn du Gott erfahren willst, öffne deine Sinne!“: Anliegen der Veranstalter war, Körperlichkeit und sinnliche Wahrnehmung als positive Elemente des christlichen Glaubens bewusst zu machen. So ging es in der Woche sowohl um Sinnlichkeit als auch um Besinnung und Fragen nach dem Sinn des Lebens. Wer Gott erkennen will, muss zuerst sich selbst erkennen, lautete das Credo. Wo ein Mensch lebendig ist und sich selbst spüren kann, kann er auch Gott erleben (Allianzspiegel, 4/2005, S. 16). Der Tanz ums Goldene Kalb ist heute angesagt und der Jesus der Sinne wird immer heftiger gefeiert. Endlich ein Gott, den man spüren, mit seinen gesamten Nervenkostüm erfahren kann.

Im Gemeindebrief der EFG Rodewisch war folgendes zu lesen: Zwei Discoabende - ---Letztenendes waren wir überwältigt, wie gut unser Herr diese zwei Abende gebrauchen konnte, um gerade diese Nichtchristen neugieríg zu machen, und ihnen ein ganz neues Bild von Christsein zu vermitteln.... Sie kamen einfach mit auf die Tanzfläche und amüsierten sich. Wir merkten, daß der Herr hinter uns stand. Er selbst tanzte und feierte mit uns.

Der Kommentar des wahren Jesus: Nichts nütze. Der Geist ist's, der lebendig macht; das Fleisch ist nichts nütze. Wo ist nun der Geist? Viele beanspruchen ihn ja in unseren Tagen. Die Antwort findet sich im selben Vers 63: Die Worte, die ich zu euch geredet habe, die sind Geist und sind Leben.

Wort und Geist sind untrennbar. Der Glaube an das Wort erst verbindet uns mit dem wahren Jesus und ergibt den echten Jünger. Doch die große Schar seiner „Jünger“ wandte sich ab. Von da an wandten sich viele seiner Jünger ab und gingen hinfort nicht mehr mit ihm
 (Vers 66). Man will einen Messias der Sinne, einen Jesus, der den alten Menschen streichelt, nicht den wahren Erlöser des Wortes.

Der Herr stellt die bekannte Frage an die Zwölf: Wollt ihr auch weggehen? (Vers 67).
Mit anderen Worten, bin ich für euch auch nur der Zeichen und Wundermann, der Brotlieferant, dem man nachfolgt, solange das Fleisch alles bekommt, was es haben möchte, dessen Jünger man ist, solange es dem alten Adam gut geht? In der berühmten Antwort des Petrus heißt es dann nicht: Wohin sollen wir gehen, du hast die Zeichen und Wunder, die wir begehren, sondern „du hast Worte des ewigen Lebens“. Merken wir den Unterschied? Hier scheiden sich die Geister. Viele „Anhänger“ hatte der Herr, solange die Sinne, das Fleisch angesprochen worden waren, doch nur eine Minderheit blieb bei ihm um seiner selbst, um seines Wortes willen. Auch hier wiederum die Parallele zu dem Herrn und seinem Wort, von Geist und Wort also. Dieses Wort aber ist das wahre Instrument für den Glauben, der nun tatsächlich Ewigkeitsfrucht bewirkt und ewiges Leben schenkt.

Noch viele andere Zeichen tat Jesus vor seinen Jüngern, die nicht geschrieben sind in diesem Buch. Diese aber sind geschrieben, damit ihr glaubt, daß Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen (Joh. 20,30-31).

Anders formuliert, das Wort übernimmt das Zeichen. Was zu Beginn das Zeichen bewirken sollte, ist jetzt die Funktion des geschriebenen Wortes. Diese Zeichen sind geschrieben, damit ihr glaubt. Wir haben bereits erwähnt, wie die Menschen zur Zeit Jesu trotz dieser Zeichen doch nicht glaubten. Doch Gott allein weiß, wie viele Menschen durch das Lesen des Johannesevangeliums, das bei einigen als das schönste Werk der Weltliteratur gilt, zum lebendigen Glauben gekommen sind.

Alexander Seibel


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